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Im Januar des Jahres 814 befiel ihn das Fieber heftiger 
als zuvor. Da ließ er geschwind den Bischof Hildbald, seinen 
Vertrauten, holen, und verlangte das Abendmahl zu genießen, um 
sich aus die letz-e große Reise vorzubereiten. Bis zum folgenden 
Jage lebte er noch; aber als er nun merkte, daß der Sand sei¬ 
ner Lebensuhr verronnen sey, hob er seine rechte Hand mit Macht 
auf, drückte auf Stirn und Brust das Zeichen des heiligen Kreu¬ 
zes, streckte die Hände noch einmal aus, faltete sie über die Brust, 
schloß die Augen, und sang mit halb erloschner, leiser Stimme: 
„In deine Hände befehle ich meinen Geist!" — So entschlief 
der große Karl, sanft und selig, am 28sten Januar 814, im72sten 
Jahre seines unruhvollen, thatcnreichen Lebens. 
Als die Nachricht seines Todes sich verbreitete, wurden Aller 
Gemüther von aufrichtiger Trauer ergriffen. Es schien, als habe 
Jeder seinen Vater verloren. Und mit Recht trauerten sie; denn 
sie wußten nicht, ob sein Sohn Ludwig ihn auch nur halb er¬ 
setzen würde. 
Zweite Periode. 
Von dem Tode Karls des Großen bis zum Anfänge der 
Kreuzzüge 814 — 1096. 
56. Ludwig der Fromme. —- Letzte Karolinger 
in Frankreich, Deutschland und Italien. 
Ä^ach Karls des Großen Tode ging es fast so, wie nach dem 
Tode Alexanders des Großen. So wie die mühsam zusammen¬ 
gebrachte mgcedonische Monarchie damals in mehrere einzelne Reiche 
zersplittert wurde, so zerfiel auch hier bald das große fränkische 
Reich. Wir wissen schon, daß Karl einen Sohn, Ludwig, hinter¬ 
ließ, der das ganze große Reich erbte. Er hat in der Geschichte 
den Beinamen des Frommen. So nannten ihn die Geistlichen, 
weil er ihnen Alles einräumte, was sie verlangten, und Kirchen 
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