„So wie ein Fluß" — sagt Montesquieu — „vft
„nur langsam und geräuschlos den Damm unterwühlt,
„dann aber plötzlich ihn einreißt, und unwiderstehlich
„über Felder und Wiesen stürzt: also die Despotie in
„Rom, jenes unter August, dieses unter Tiber." —
Nachdem der tückische, argwöhnische, in Ränken beynahe
ergraute (56jährige) Tiberius sich zuerst vom Senat er¬
bitten lassen,, die — seit vielen Jahren von ihm durch
jedes Mittel gesuchte — Kaiserwürde zu übernehmen, und
dann den Aufruhr der Pannonischen und Deutschen Legio¬
nen durch Vermehrnng ihres Soldes und Verheißung einer
früheren Entlassung aus dem Dienste gedampft hatte, be»
-gann er seine Negierung damit, daß er die Volksver¬
sammlungen abschaffte und dadurch den Bürgern ihren
Einfluß auf die Wahl der Magistrate gänzlich aufhob«
Er selbst setzte nun aus eigener Macht die Consuln, und
zu den übrigen Magistraten schlug er dem Senate Ean-
ditaten vor, welche dieser nicht verwerfen durfte. Auf
diese Weise gelang es ihm, alle Männer von Geist aus
den öffentlichen Aemtern zu verdrängen. Um aber auch
seine Person sicher zu stellen, umgab er sich mit allen
Schrecken des Majestätgesetzes*). Zeder alte Haß
ward nun von ihm hervorgesucht, und Männer, die ihn
vor zwanzig Jahren einmahl beleidiget hatten, wurden
jetzt dafür hingerichtet. Ankläger, welche heimlich be¬
richteten, dieser oder jener habe schlecht vom Kaiser ge¬
sprochen oder dessen Bildsäule bespöttelt, wurden mit Geld
und Ehrenstellen belohnt, die Angegebenen aber gefoltert
unter langsamen Qualen hingerichtet, und dann mit eiser-
*) Dieses Gesetz, das früher nur' gegen jene, welche die
Majestät des Römischen Volkes verletzen würden, gerich¬
tet war', wurde von Augustus auch auf diejenigen aus¬
gedehnt, welche gegen die Person des Imperators etwas
sprechen oder schreiben würden, und hieß deßwegen Les
Julia majestatis.