Full text: [Theil 2, Abth. 1] (Theil 2, Abth. 1)

91 
Lherließ sich Tiberius den schändlichsten Lastern, und 
nahm an den Staatsgeschäften nur so vielen Antheil, als 
ihn Sejan nehmen ließ, der sich auf dieser Reise vollends 
in seiner Gunst befestigte, da er ihm einmahl das Leben 
mit Gefahr feines eigenen rettete. Doch je mehr die 
Macht des Günstlings zunahm, desto mehr brütete in 
seiner Seele der Verrath und das Verlangen, den Thron 
selbst zu besteigen. Der einzige Sohn des Kaisers starb 
am Gifte, das ihm seine eigene Gemahlin» Livilla, 
von Sejan dazu verführt, beygebracht hatte. Die von 
Drusus Germanicus hinterlassene Mittwe Agrippina 
(,Enk-Iinn des Augnstuö), und ihr ältester Sohn, Nero¬ 
wurden verwiesen, ihr zweiter Sohn Drusus aber, für 
einen Feind des Staates erklärt und in enge Verwahr 
gebracht. Da gab endlich die bejahrte Mutter des Ger¬ 
manicus dem Kaiser Aufschluß über seinen Liebling, und 
Tiberius beschloß seinen Tod. Macro ward zum Ober¬ 
sten der Garde ernannt und nach Rom geschickt, wo er 
dem Senat ein Privatschreiben des Kaisers überreichte. 
Sogleich spricht der Senat das Todesurtheil über den 
gefürchteten und gehaßten Sejan, und nach seiner Hin¬ 
richtung ist sein Leichnahm noch drey Tage lang ein Ge¬ 
genstand der Rache des erbitterten Volkes. Tiberius aber 
wurde nun noch grausamer; und seine ganze übrige Re¬ 
gierung enthält fast nichts, als Beweise seiner Unmensch¬ 
lichkeit. Der Tod selbst war bey ihm eine Gnade. Deß- 
wegen ließ er die unglücklichen Sch<achtopfer oft. vor der 
Hinrichtung auf's ärgste martern, oder nach langem Ge¬ 
fängnisse zuletzt verhungern. Dieses letztere Loos ward 
auch der Agrippina mit ihren Söhnen zu Theil. 
Tiberius, obgleich von Ausschweifungen erschöpft, 
und von Gewissensqualen abgeänstiget, erreichte dennoch 
ein Alter von 78 Jahren. Alles wartete sehnlich auf das 
Ende seines Lebens. Als ihn daher einmahl eine Ohn¬ 
macht befiel, die man für seinen Tod ansah, war überall 
große Freude. Aber er erwachte wieder. Da bedeckte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.