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Hanseatische Lebensbilder und Sagen.
nach den Niederlanden gewählt. Um so größer war die freudige Er-
regung, als zu Anfang Dezember 1716 sich das Gerücht verbreitete, der
Zar werde von Lübeck und Mecklenburg her seinen Weg nach Holland
über Stade und Bremen nehmen. Der Bremer Rat beschloß sogleich,
dem Zaren einen glänzenden Empfang zu bereiten, und für diesen Plan
fand er das bereitwilligste Entgegenkommen bei den Einwohnern der
Stadt.
Er sandte Boten nach Stade, um Erkundigungen über die Zahl des
Gesolges und über den Zeitpunkt der Ankunft seines erlauchten Gastes
einzuziehen; er ließ die besten Häuser der Stadt zu Quartieren herrichten;
Fische und Wildbret wurden bestellt und Ochsen geschlachtet, Wein und
Branntwein angeschafft und alles für den Empfang vorbereitet. Auf
deu Wällen postierte man noch einige neue Geschütze, stellte für den
Fall eines abendlichen Eintreffens Pechfackeln und vor der für den
Zaren bestimmten Wohnung Laternen auf, die man aus den wenigen
damals beleuchteten Straßen entnahm. Endlich wurde auch für den
russischen Gast eine Säuberung der Straßen angeordnet, ein Luxus, den
man sich dazumal nicht jeden Tag gestattete. Kurz, die ganze Stadt war
in regster Bewegung, das außerordentliche Ereignis beschäftigte alle Ge¬
müter.
Inzwischen waren die Boten aus Stade leider unverrichteter Dinge
heimgekehrt; es war über die Reiseroute des Zaren nichts Sicheres zu er-
fahren. So fchwebte der Rat noch immer völlig im Ungewissen über
das Eintreffen seines Gastes, als am 9. Dezember, nachmittags 2 Uhr,
plötzlich dessen Furier am Rathause anlangte und Pferde für seinen
Herrn begehrte. Der Zar wollte nämlich Bremen passieren und in Wahr-
türm, einem kleinen Nachbarorte, übernachten. Diesen Schimpf wollte aber
der Rat nicht auf seiner Stadt sitzen lassen und wußte den Furier zu
überreden, daß er den Zaren veranlassen sollte, in Bremen Quartier zu
nehmen.
Zugleich rückten Abgeordnete des Rates zu Wagen dem Zaren ent-
gegen, begleitet von einem langen Zuge Berittener, und eine sechsspännige
Galakutsche für den Zaren mit sich führend.
Bald sah man auch den Zug des Zaren herannahen und schickte
sich an, ihn zu begrüßen; dieser aber wollte sich nicht aufhalten lassen,
sondern jagte, freundlich grüßend, vorbei. Da hatten die Bremer alle
Mühe, ihm zu folgen, um wenigstens gleichzeitig mit ihm in Bremen
einzutreffen. Auch hier vermied es der Zar, sich auf der Straße vom
Rate begrüßen zu lassen; erst in seinen Gemächern empfing er Abgeordnete