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ihn nun mit hartherziger Gesinnung als ihren Gefan¬
genen behandelten. Vorzüglich wollte Lothar diese
Noth seines Vaters benutzen, urn ihm die Krone ganz
zu entreißen, und deshalb zogen sie mit dem Vater nach
Soissons, wo dieses ausgeführt werden sollte, und wo
sich eine herzzerreißende Scene zutrug. Au Soissons
nämlich in dem Kloster des heil. Medardus mußte Kai¬
ser Ludwig eine öffentliche Kirchenbuße thun, wozu ihn
die hohen Geistlichen, welche Lothar für sich gewonnen
hatte, beredeten. Vor dem Altar in der Klosterkirche
mußte er in Gegenwart einer großen Versammlung nie-
-derknieen, mit Ablegung seiner kaiserlichen Kleidung, im
I)arenen Bußgewand, und mußte eine Schrift vorlesen,
welche die Geistlichen aufgesetzt harten, und in welcher
er nicht nur seine vielfältigen Sünden bekannte, sondern
sich auch der Herrschaft für unwürdig erklärte. Lothar
glaubte nun, der Vater werde nach dieser Scene nicht
wieder auf den Thron zurückkehren, sondern sich, wozu
er früher die Neigung gezeigt hatte, in den Mönchö-
stand begeben. Dennoch kam es bald darauf wieder
anders. Indem Lothar sich mit seinen Brüdern, und
auch mit den Geistlichen und Lehensleuten wieder ver¬
feindete, so gewann der Vater, besonders da auch der
Unwille des Volkes dazukam, wieder einen großen An¬
hang im Reiche, und nachdem ihn die Geistlichen in der
Abtei zu St. Deny wieder feierlich mit dem Schwerdt
umgürtet, und ihn so zur Herrschaft wieder fähig ge¬
macht hatten, so gelangte er zwar wieder auf seinen
Thron, konnte aber denselben doch nie wieder ruhig be¬
sitzen, weil die Feindschaft mit seinen Söhnen seine ganze
übrige Regierungszeit hindurch fortging, und das ganze
Reich im Inneren zerrüttete, wahrend dessen auch der
zweite Sohn Pepin in Aquitanien starb, wodurch nun
doch der jüngste Sohn Karl ein Erbtheil im Reiche er¬
hielt. Zuletzt war Kaiser Ludwig wieder in einen Krieg
mir seinem besten Sohn, dem König Ludwig von Deutsch¬
land gerathen, und selbst mit Kriegstruppen gegen ihn
ausgezogen. Da erkrankte er auf diesem Auge und starb
auf einer Insel im Rhein bei Ingelheim unter einem
Gezelte in den Armen eines Geistlichen, auf dessen Zu¬
reden er sich mit seinem Sohne Ludwig noch versöhnte,