188 B. Lyrische Poesie. Walther v. d. B.: Deutschland über alles.
8. Lyrische Poesie.
34. Deutschland über alles.
Walther v. d. Vogelweide, geb. um 1160 in Tirol, Anhänger Philipps von
Schwaben, dann Friedrichs II., der ihm ein Lehen gab; gest. nach 1230.
1. Heißt mich froh willkommen
sein,
Der euch Neues bringet, das bin ich;
Eitle Worte sind's allein,
Die ihr noch vernahmt; jetzt fraget
mich.
Wenn ihr Lohn gewähret
Und den Sold nicht scheut,
Will ich manches sagen, was die
Herzen freut;
Seht, wie ihr mich würdig ehret.
2. Lande hab' ich viel gesehn,
Nach den besten blickt' ich allerwärts;
Übel möge mir geschehn,
Wenn sich je bereden ließ mein Herz,
Daß ihm wohlgefalle
Fremder Lande Brauch!
Wenn ich lügen wollte, lohnte mir
es auch?
Deutsche Zucht geht über alle.
3. Von der Elbe bis zum Rhein
Und zurück bis an der Ungarn Land,
Da mögen wohl die Besten sein,
Die ich irgend auf der Erde fand.
Weiß ich recht zu schauen
Schönheit, Huld und Zier,
Hilf mir Gott, so schwör ich, sie
sind besser hier
Als der andern Länder Frauen.
4. Züchtig ist der deutsche Manu,
Deutsche Frau'n sind engelschön
und rein;
Thöricht, wer sie schelten kann,
Anders wahrlich mag es nimmer
sein.
Zucht und reine Minne,
Wer die sucht und liebt,
Komm' in unser Land, wo es noch
Wonne giebt;
i Lebt' ich lange nur darinne!
(Übersetzt von Simrock.)
f 3o. Muttersprache.
Max von Schenkendorf, geb. den 11. Dezember 1784 zu Tilsit, zog 1813 mit
ins Feld, 1815 Regierungsrat in Koblenz, gest. daselbst den 11. Dezember 1817.
1. Muttersprache, Mutterlaut,
Wie so wonnesam, so traut!
Erstes Wort, das mir erschallet,
Süßes, erstes Liebeswort,
Erster Ton, den ich gelallet,
Klingest ewig in mir fort!
2. Ach, wie trüb ist meinem Sinn,
Wenn ich in der Fremde bin!
Wenn ich fremde Zungen üben,
Fremde Worte brauchen muß,
Die ich nimmermehr kann lieben,
Die nicht klingen als ein Gruß!