Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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hundert siebenzrg Kanonm, die Fahne des Propheten, fünfzehntau- 
send Gezelte, unter diesen auch das des Kara Mustapha mit 
großen Schätzen, wurden eine Beute der Sieger. Frohlockend 
eilten die Wiener Bürger, nach zwei schrecklichen Monaten, unter 
dem Geläute aller Glocken und dem Donner der Kanonen, aus 
den Thoren, über die Walle in das Lager hinaus. Das allge¬ 
meine Zujauchzen, das Gedränge um den Polenkönig, vor Ent¬ 
zücken seine Hand, seine Stiefeln, seinen Mantel zu küssen, wurde 
beinahe lebensgefährlich. Ec selbst schrieb hierüber seiner Gattin: 
„Ich mußte lange mit dem Wessir fechten, che der linke Flügel 
mir zu Hülfe kam. Da waren um mich her der Kurfürst von 
Baiern, der Fürst von Waldeck und viele andere Reichsfürsten, 
die mich umhalsten und küßten. Die Heerführer faßten mich bei 
den Händen und Füßen, die übrigen Obersten mit ihren Regi¬ 
mentern riefen mir zu: Unser brave König! Heute Morgen kam 
der Kurfürst von Sachsen nebst dem Herzoge von Lothringen zu 
mir. Endlich kam auch der wienerische Statthalter, Graf von 
Starhemberg, mit vielem Volke, hohen und niederen Standes 
mir entgegen. Jeder hat mich geherzt, geküßt und seinen Er¬ 
löser genannt. Auf der Straße erhob sich ein Iubelgeschrei: Es 
lebe der König! Als ich nach der Tafel wieder hinaus in's Lager 
ritt, begleitete mich das Volk mit ausgehobenen Händen bis zum 
Thore hinaus. Für-den uns gesandten höchst vortrefflichen Sieg 
sei dem Höchsten Lob, Preis und Dank gesagt in Ewigkeit!" 
So wurde die Kaiserstadt zum allgemeinen Jubel von 
Deutschland, aber zum größten Mißvergnügen des Königes von 
Frankreich, gerettet. Vasd darauf, am 25- December, wurde 
Kara Mustapha, der durch wiederholte Niederlagen in'die Ungnade 
seines Herren gefallen war, zu Belgrad erdrosselt. Spater, nach 
der Eroberung dieser Stadt, schickte der Herzog von Lothringen 
den Kopf des Großwessirs nach Wien. Hier wird er, nebst der 
rothen seidenen Schnur, noch bis auf diesen Tag aufoewahrt. 
Der Türkenkrieg war indeß mit jener Niederlage nicht beem 
digt, sondern dauerte noch fünfzehn Jahre fort. Der Kaiser blieb 
Sieger; denn nie standen trefflichere Feldherren an der Spitze
	        
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