Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

172 
Loos über dasselbe zu werfen. Um ihre Absichten zu vereiteln, 
setzte er den Kurprinzen von Baiern zum alleinigen Erben seines 
ganzen Reiches ein. Der junge Prinz aber starb noch vor Karl, 
und nun wäre Leopold der einzige rechtmäßige Erbe gewesen. 
Auch der König von Spanien selbst war ganz auf östreichischer 
Seite und verlangte, der Kaiser sollte seinen Sohn nach Spanien 
schicken. Leopold aber, der seinen Sohn nur in einem glanzenden, 
eines östreichischen Erzherzoges würdigen Aufzuge, wozu er aber 
nicht gleich die Mittel hatte, nach Spanien schicken wollte, zögerte 
so lange, bis es zu spat war. 
Gleich nach des Kurprinzen Tode hatten die Seemächte, Eng¬ 
land und Holland, mit Frankreich wieder einen neuen Theilungs- 
plan entworfen, dem gemäß die Herrschaft unter dem Erzherzog 
Karl und den Dauphin getheilt werden sollte. Ludwig hatte bei 
der Theilung nur die Absicht, jene beiden Machte für den Au¬ 
genblick zu beruhigen und sich geneigt zu erhalten, übrigens war 
er schon langst entschlossen, gleich nach Karl's Tode die ganze 
Erbschaft an sich zu reißen. Hierauf zielten alle seine Plane. 
Sein Gesandter am Madrider Hofe, der feine und gewandte 
Harcourt, wußte sich bei dem kranken Könige einzuschmcicheln 
und auch alle, welche aus diesen Einfluß hatten, durch Schmeiche¬ 
leien und offene Geldbeutel für die Sache seines Herren zu ge¬ 
winnen, wahrend der eben so steife als karge östreichische Gesandte, 
Gras Harrach, unablässig auf seines Herren Rechte pochte und 
wenig dafür that. 
Am 1. November 1700 starb der König Karl II., und nun 
kam zu aller Welt Erstaunen sein letzter Wille zum Vorschein, 
von dem Niemand etwas wußte, als die, welche dazu geholfen 
hatten; Philipp von Anjou war hierin zum alleinigen Erben 
der sammtlichen spanischen Staaten ernannt. Ludwig stellte sich 
selber überrascht; doch jetzt noch dem früheren Theilungsplane treu 
zu bleiben und den ausdrücklichen letzten Willen des Königes von 
Spanien nicht auf das Genaueste zu vollstrecken, das schien dem 
Heuchler eine Gewissenssache zu sein. Er war deshalb der erste, 
welcher feinem Enkel zur neuen Königswürde Glück wünschte und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.