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fordern zu ihrer Rettung. Da rief Napoleon frohlockend: „Sol¬
daten, hier ist die Schlacht, die Ihr ersehnt habet. Sie ist
nothwendig, denn sie bringt uns Überfluß, gute Winterquartiere
und sichere Rückkehr nach Frankreich. Benehmet Euch so, daß
die Nachwelt von Jedem unter Euch sagen kann: Auch Er war
in der großen Schlacht unter den Mauern Moskaus!" Zugleich
ließ er das Bildniß seines Sohnes an der Außenseite seines Zeltes
aufhangen, und Offiziere und Soldaten eilten begeistert herbei,
die Gestalt ihres künftigen Herrschers zu betrachten.
Ein anderes Schauspiel bot sich im russischen Lager dar.
Die griechische Geistlichkeit erschien in ihren priesterlichen Gewän¬
dern und zog in feierlicher Prozession durch das Lager. Die
Bilder der gefeiertsten Heiligen wurden dem verehrenden Blicke
der Truppen vorübergetragen. „Erde und Himmel — sprachen
die Priester — sind durch die Fremdlinge verletzt und zur Rache
aufgefordert, und der Tapfere in der Schlacht wird sich unfehlbar
die Seligkeit erringen." Die Russen antworteten mit einem
begeisterten Hurra!
Am 7. September wurde die große Schlacht an der Moskwa
geliefert. An fünf und zwanzigtausend Menschen auf jeder Seite
bluteten an diesem Schrcckenstage. Vom frühen Morgen bis in
die Nacht wurde mit beispielloser Erbitterung gestritten. Ganze
Regimenter russischer Bauern schlossen sich mit der Festigkeit alter
Soldaten an, machten das Zeichen des heiligen Kreuzes und stürz¬
ten mit dem Rufe: „Gott sei uns gnädig!" in das dichteste
Handgemenge. Endlich trat Kutusow den Rückzug an, und
wollte lieber Moskau preisgeben, als eine neue Schlacht liefern:
Moskau sei ja nicht das Vaterland. Mit niedergeschlagenen
Blicken, zusammengerollten Fahnen und ohne Trommelschlag zogen
die russischen Truppen durch die stille Hauptstadt. Der größte
Theil der noch übrigen Bevölkerung schloß sich mit dem Be¬
fehlshaber der Stadt, Grafen Rostopschi n, dem düsteren
Zuge an.
Am 14. September erblickten die Franzosen von der Höhe (
eines Berges die ehrwürdige Stadt, das Jerusalem des Nordens,