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308. Gottlob Nathusius. 
Unter dem Dache der Armut erblickte Gottlob Nathusius im 
Jahre 1760 zu Baruth in der Provinz Brandenburg das Licht der Welt. 
Frömmigkeit und Rechlschaffenheit waren seiner Eltern einziger Reichtum, 
und diesen Schatz vererbten sie ünverkürzt auf den Sohn. Nachdem Gottlob 
eine ärmliche Erziehung empfangen halte, kam er als Lehrling zu einem 
Krämer nach Berlin, wo ihm als jüngstem Lehrburschen anfangs die 
niedrigsten Besorgungen oblagen: er hatte Briefe und Pakete auszutragen, 
Waren zu holen, die Tische abzuwischen, den Laden auszufegen u. dergl. m. 
Dazu kam noch, daß die Kost herzlich schlecht und unerträglich die 
Behandlung war, die er von den übrigen Ladengehilfen erfuhr. Diese 
wollten ihn nötigen, des Sonntags mit ihnen in einem fremden Hause 
zusammen zu kommen und Kaffee, Zucker und andere Gegenstände aus dem 
Laden heimlich dorthin mitzubringen. Empört über diese verbrecherische 
Zumutung, zeigte der rechtschaffene Lehrbursche dem Lehrherrn alles au, 
der sogleich eine strenge Untersuchung vornahm und die Schuldigen aus 
dem Geschäfte jagte. 
Damit war der vielgeplagte Lehrling seine Quälgeister losgeworden, 
und seine Stellung gestaltete sich von Stund' an freundlicher. Seine 
brave Aufführung erwarb ihm die Achtung und das Vertrauen seines 
Lehrherrn, und als im Jahre 1780 seine LSehrzeit abgelaufen war, bot 
ihm jener einen jährlichen Gehalt von 90 Mark an, wenn er bei ihm 
bleiben wolle. Und Nathusius blieb, obgleich er den kleinen Krämer— 
laden mit seinem kleinlichen Geschäftsbetriebe herzlich gerne mit einer 
vielseitigeren Stellung vertauscht hätte. Wo er war, sah er nur die 
einfachsten und rohesten Grundzüge des Handels; da waͤr weder von 
regelrechter Buchführung, noch von irgend welcher kaufmännischen Geschäfts- 
führung die Rede. Der Lehrherr war ein guter Mann, aber ein beschräͤnkter 
Kopf, dessen Begriffe vom Handel sich wenig über den Groschenumsatz 
verstiegen. 
Der mächtige Trieb, den Nathusius fühlte, sein kaufmännisches 
Wissen und Können so viel wie möglich zu vertiefen und auszubreiten, 
konnte mithin von dieser Seite her keine Nahrung erhalten. Das einzige 
Mittel, dieses Ziel zu erreichen, war die Selbstbildung, und dieses wendete 
der junge Nathusius in solcher Ausdehnung und mit so rastloser That— 
kraft an, daß wir uns nicht darüber wundern dürfen, wenn wir ihm 
später im Mittelpunkte einer riesenhaften geschäftlichen Wirksamkeit be— 
gegnen. Zu arm, um sich teure Bücher anschaffen zu können, sah er 
jedes bedruckte, zum Verpacken benutzte Papier, das ihm im Laden in 
die Hände fiel, genau durch, und wenn er etwas darin fand, was auf 
Handel und Industrie Bezug hatte, so legte er es auf die Seite, um es 
in der Frühe des nächsten Morgens oder am Abend nach Schluß der 
Geschäftszeit oder in der freien Zeit des künftigen Sonntags mit Auf— 
merksamkeit zu betrachten. 
Um seinem Wissensdrang Genüge thun zu können, darbte er sich 
den Dreier, den er zum Fruͤhstück erhielt, am Munde ab und kaufte 
sich dafür Bücher bei einem Antiquar (Händler mit alten Büchern). 
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