Full text: Für die Oberstufe (Teil 3, [Schülerband])

Beschreibungen und Schilderungen. 
177 
es in Treuen ehrt und mit Verständnis pflegt. Wir olle können ihm nicht 
genug dafür danken; es erhält uns ein glänzendes Bild dessen, was keine 
Schilderung uns vormalen und, wenn es einmal dahingegangen, keine noch 
so geschickte Nachahmung zu ersetzen imstande wäre. Die Stadt ist einzig in 
ihrer Art, denn sie ist nicht Kopie, sondern Original; und obwohl herab¬ 
gestiegen von ihrer einstigen Höhe, hat sie rasch eine andere erklommen, die 
nicht minder achtunggebietend ist und zugleich unser ganzes Herz besitzt. 
Nicht mehr, wie in alten Zeiten, verteidigt hinter diesen Mauern Gustav 
Ädolf die Stadt gegen Wallenstein und Tilly, sondern durch diese Tore 
ziehen friedliche Gäste herein, die willkommen sind, wenn sie es einige Tage 
sich hier gefallen lassen. Nicht mehr singen die „Meister des Handwerks", 
noch „arbeiten" sie in „eingeschlossenen Gilden", — die Gewerbefreiheit hat 
auch diesen Bau zerstört —; aber ihre Tabulaturen und Fahnen, ihre silbernen 
Becher, Innungszeichen samt Lade, Schaustück und alledem werden jetzt im 
Nathause aufbewahrt, „der vergangenen Zeit zur Ehr, den kommenden zur 
Lehr". Nicht mehr sind die Reichskleinodien ausgestellt in der alten Burg 
Barbarossas; aber mit Ehrfurcht betritt man den Hof mit der 800jährigen 
Linde, das Schloß und die Halle, den Sitz der ehemaligen Burggrafen von 
Nürnberg, die Wiege des neuen deutschen Kaisergeschlechtes; dicht aneinander, 
wie weiter oben in schwäbischen Landen Hohenstaufen und Hohenzollern, 
grenzt hier das Alte an das Neue, wie wenn durch die Jahrhunderte hin ein 
geheimer Zusammenhang oder Gegensatz bestanden habe, dem es vorher bestimmt 
war, sich auszugleichen zur Vollendung deutschen Wesens. Ein Habsburger 
war es, Rudolf von Hubsburg selbst, der den ersten Zollerngrafen hier 
eingesetzt; Fehden entstanden daraus, als der Lehensmann wuchs: bittere 
Kriege zuletzt, und wie lange, lange hat es gedauert bis zu jenem schönen 
Tage, da der ehemalige Lehensherr, ein gefeierter, hochwillkommener Gast 
im Königsschlosse zu Berlin, unter zwei von dort datierte Verordnungen 
schrieb: „Gegeben in der Hauptstadt des Deutschen Reiches am 11. Sep¬ 
tember 1872."! 
Die Burg von Nürnberg ist in neueren Zeiten wieder wohnlich hergerichtet 
worden; König Maximilian II. von Bayern und seine Gemahlin haben hier 
oft und gerne Hof gehalten. Im Jahre 1866 hat auch der jugendliche König 
Ludwig hier geweilt. Die Zimmer des Königes und der Königin sind noch 
vollständig so erhalten, wie sie erstere verlassen haben; und trauliche Zimmer 
sind es mit gebräuntem Balkenwerke und Nischen in den Mauern und kleinen 
Fenstern, aus denen man einen Blick hat auf die gute, gewerbreiche Stadt 
Nürnberg und die weite Ebene, welche sie umgibt. Tief unten vom Fels¬ 
grunde herauf wächst einiges Grün, die Gräben haben sich mit Baum und 
Strauch bedeckt, und um den alten Heidenturm rauschen die Pappeln. An 
dem großen Tore, niit dem Reichsadler geschmückt, klopft gern der Fremde, 
um in die Burg einzutreten und sich erzählen zu lassen von der alten Zeit 
und den alten Kaisern, die hier residiert. Mit einem Rudolf zur Linken 
und einem Adolf zur Rechten besteigen wir die Burg, wo Kaiser Rotbart 
selbst uns empfängt, und wenn wir sie verlassen, so steht schon Albrecht 
Dürer da, um uns mit Veit Stoß und Peter Bischer bekannt zu machen, 
oder Hans Sachs erwartet uns, um uns den Sebalder Pfarrhof zu zeigen, 
dieses reizende, alte Haus niit seinen Chörlein und Steinverzierungen wie 
Erkelenz, Deutsches Lesebuch. HI. Teil. 6. Aufl. 12
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.