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eine Meile nördlich von Paris, vollzogen, und drei Tage dar¬ 
auf wollte die Königin ihren feierlichen Einzug in Paris halten. 
Am Tage nach der Krönung — es war der 14te Mai 1610 
— befahl Heinrich Nachmittags, den Wagen anzuspannen, er 
wolle die Anstalten dazu ansehen. Er war an diesem Tage be¬ 
sonders mürrisch, aß wenig, und hatte sich fast den ganzen 
Morgen eingeschlossen gehalten. Außer dem Könige setzten sich 
noch sieben Edelleute in den Wagen, der, nach damaliger Ge¬ 
wohnheit, sehr weit und groß war. Als ihn der Kutscher 
fragte, wohin er gefahren seyn wollte, rief er verdrießlich: 
„bringe mich nur weg von hier!" Dann ließ ec den Wagen 
auf allen Seiten herunterschlagen, um sich bequem umsehen zu 
können. Endlich kam man in eine Gasse, wo man still halten 
mußte, weil einige Wagen sich verfahren hatten. Die Bedien¬ 
ten sprangen hinunter, um Platz zu machen; die Begleiter des 
Königs sahen sich nach den Pferden um, und Heinrich bog sich 
eben nach seinem Nachbar, ihm etwas ins Ohr zu sagen. Die¬ 
sen Augenblick benutzte ein schlechtgekleideter Mensch; er stieg 
auf das Hinterrad, und versetzte dem Könige mit einem langen 
scharfen Messer schnell hinter einander Zwei Stiche in die Brust, 
und gab ihm noch einen dritten Stich, der aber fehl ging. 
Keiner, außer dem Könige, hatte die That bemerkt. Dieser 
schrie: „o mein Gott! ich bin verwundet!" In demselben Au¬ 
genblick sank ec zurück, Todtenblasse überzog sein Gesicht; er 
war nicht mehr; denn der Mörder hatte gerade das Herz 
getroffen. 
Die erste Bestürzung der Begleiter des Königs war so 
groß, daß der Mörder wohl hatte entfliehen können. Er blieb 
aber, das blutige Messer in der Hand, ruhig neben dem Wa¬ 
gen stehen. Man nahm ihn fest, wahrend der Wagen mit der 
theuren Leiche langsam nach dem Schlosse zurückfuhr, und ver¬ 
hörte ihn. Es ergab sich, daß er Ravaillac heiße, und 
ehemals ein Barfüßermönch gewesen sey; man hatte ihn aber, 
weil er Anfälle von Verrücktheit gehabt hatte, aus dem Kloster 
gestoßen. Man legte ihn auf die Folter, damit er seine Mit¬ 
schuldigen entdecken sollte; aber er versicherte, keine zu haben, 
zeigte auch die größte Fühllosigkeit. Als Grund seiner That
	        
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