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fungen; selbst französische Garden nahmen daran Antheil, und 
die anrückenden Soldaten hieben zwar mehrere nieder, konnten 
aber nicht des Pöbels Herr werden. Der Aufruhr währte mehrere 
Tage. Die Bastille, eine alte Festung im östlichen Lheile von 
Paris, und frühcrhin ein fürchterliches Gefängniß, wurde von 
dem rasenden Haufen erstürmt, und die Besatzung, die aus ehr¬ 
lichen Schweizern und einigen Invaliden bestand, nebst ihrem 
Commandanten ermordet. Erst als der König befahl, daß sich 
die Truppen aus der Nähe von Paris entfernen sollten, kehrte 
die Ruhe einigermaßen zurück. Jetzt ahnten viele am Hofe noch 
größere Unruhen, und verließen schnell das Reich, unter ihnen 
der Graf von Artois, der Prinz Condü und viele Höflinge. Die 
Auswanderungen der Edelleute und Geistlichen nahmen nun über¬ 
hand, und der arme König stand plötzlich ohne Rathgeber da. 
Der Pöbel in Paris hatte den Wunsch geäußert, daß sich der 
König in Paris zeige. Er entschloß sich sogleich dazu. Es war 
ein trauriger Zug. Der königliche Wagen wurde am 17ten Juli 
von zahlreichen Volkshaufen und von dem größten Theil der Na¬ 
tionalversammlung begleitet, und am Wege waren 200,000 be¬ 
waffnete Bürger aufgestellt, zwischen denen der Wagen langsam 
hinfuhr. Vor und hinter ihm fuhren Kanonen, voran wurde 
die aus der Bastille geraubte Fahne getragen, und nirgends hörte 
man einen andern Ruf, als: „hoch lebe die Nation! " Uebcrall 
erblickte der König feindselige Gesichter; keinen Augenblick war 
er vor Ermordung sicher. Als er am Stadthause ausstieg, und 
die Stufen hinaufging, überreichte ihm der Maire (Bürgermei¬ 
ster) eine dreifarbige Cocarde, das Abzeichen der Revolutions- 
freunde. Ludwig steckte sie auf seinen Hut, und nun erst schrie 
das Volk aus voller Kehle: „hoch lebe der König l" Am Abend 
kehrte er nach Versailles zurück, und hoffte, nun würde alles ru¬ 
hig bleiben. 
Aber darin irrte er sich sehr. Der schändliche Orleans wußte 
insgeheim den unruhigen Pöbel immer wieder in die Waffen zu 
bringen. Mehrere dem Volke verhaßte Männer wurden auf öf¬ 
fentlicher Straße ermordet, und cs wurde seitdem etwas Ge¬ 
wöhnliches, daß Leute, schuldig oder unschuldig, die den Ver¬ 
dacht des Pöbels auf sich gezogen hatten, fortgeschleppt und an
	        
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