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Wirbelwinde. Man sieht nicht selten bei ruhigem Wetter eine hohe
Luftsäule sich schnell im Kreise wirbelnd fortbewegen und Sand, Staub,
Blätter ?c. im Kreise mit herumtreiben und fortschleudern. Diese Erschei-
nung nennt man Wirbelwinde oder Sandhosen. Sie entwurzeln nicht selten
Bäume, beschädigen Gebäude, schleudern Balken mit sich fort ac. Auf dem
Wasser bilden sie Wasserhosen oder Tromben; diese werden durch eine her-
abhängende, spitz nach dem Wasserspiegel endigende und eine emporgehobene
wirbelförmig bewegte Wassersäule gebildet. Wir werden hierauf unten noch
einmal zurückkommen.
Die Winde nützen in vielfachen Beziehungen: sie reinigen die Luft
von Dünsten, führen Regenwolken herbei und zertheilen sie auch, trocknen
nasse Gegenden aus, mildern Hitze und Kälte, wurzeln die Bäume fester,
bewahren das Meer vor Fäulniß, begünstigen Handel und Schifffahrt,
und treiben auch Mühlen und andere nützliche Maschinen. Sehr heiß und
unangenehm ist der Wind, welcher in den Wüsten und pflanzenleeren
Ebenen von Nordafrika entsteht; man kennt ihn unter verschiedenen Namen,
Samum, Samiel, Chamsin, Harmattan, und fürchtet ihn wegen seiner fast
tödtenden Hitze und Gewalt. Seine Gewalt verspürt auch Südeuropa, wo
er als Sirocco in Italien und Griechenland, als Solano in Spanien, als
Föhn in der Schweiz bekannt ist.
Der Föhn hat auf den Witterungswechsel, die Schneeschmelze, die
Zeitigung der Gewächse, auf Gesundheit und Seelenstimmung des Menschen
einen bedeutenden Einfluß. Man sollte eigentlich glauben, da seine Heimat
das heiße Afrika ist, die Alpen müßten gegen den Föhn eine Schutzmauer
sein; allein sie verstärken denselben. Ist der heiße Luftstrom in den Schich-
ten über den Alpen angelangt, so kühlt die Kälte des Firns den uutern
Theil seiner Randwellen, so daß er sofort schwerer wird und in das Thal
niederstürzt, wo er, namentlich in engen Gebirgsthälern, die von Süden
nach Norden streichen und sich nordwärts öffnen, an Heftigkeit zuweilen
einem Orkan gleicht. Auf dem Vierwaldstätter- und Bodensee ist die Fahrt
bei heftigem Föhn nicht ohne Gefahr.
Die atmosphärischen Erscheinungen, die ihn begleiten, sind sehr hübsch.
Am südlichen Horizont zeigen sich leichte Federwolken. Die Sonne geht am
stark gerötheten Himmel bleich und glanzlos unter. Die obern Wolken
glühen noch lange in den lebhaftesten Purpurfarben. Der Mond hat einen
röthlichen, trüben Hof. Die Luft erhält den höchsten Grad von Klarheit
und Durchsichtigkeit, so daß die Berge viel näher erscheinen und eine bläu-
lichviolette Färbung annehmen.
Im März zaubert der Föhn in wenigen Tagen eine unglaublich rasch
sich entwickelnde Vegetation hervor, während gleichzeitig die Sehnen der
thierischen Körper durch die trockenwarme Luftströmung an Spannkraft ver-
lieren. Die Menschen und Thiere leiden alsdann unter seiner Einwirkung.
Er wirkt in Bezug aus die Schneeschmelze in 12 Stunden mehr, als die
Sonne in 14 Tagen, indem die alte, zähe Schneedecke, welche die Sonne
lange vergeblich beleckt, ihm nicht widersteht. In vielen schattigen Hoch-
thülern ist er geradezu die unerläßliche Bedingung des Frühlings, wie er
an andern Orten das notwendigste Ersorderniß zur Zeitigung der Traube
ist. Dabei ist der Föhn ein sehr vorsichtiger Schneeschmelzer und schützt
dadurch, daß er durch seine Wärme eine massenhafte Verdunstung der
Wassertheile unterhält, die Thalniederungen vor gefährlichen Ueberflutungen
der Bergwasser. Dagegen trocknet er die Blüthe des Apfelbaums rasch