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und fragte mit Würde: „warum stören Sie so spät die Ruhe 
meines Aufenthalts? WaS wollen Sie?" Der General ant¬ 
wortete, er verlange Entsagung der weltlichen Herrschaft, und 
da Piuö diese durchaus verweigerte, so erklärte jener, er habe 
in diesem Falle Befehl, ihn fortzuführen. Willig folgte Piuö 
wie er war, ohne Neiseanstalten, und ohne däß man ihm die 
Begleitung seiner Diener gestattete. Man warf ihn in einen 
Wagen, und nun ging die Reise in tiefster Stille unter Be¬ 
gleitung von Gcnsdarmen über Florenz nach Grenoble in 
Frankreich. Nach kurzem Aufenthalte brachte man ihn zurück 
nach Oberitalien, nach Savona, wo er genau bewacht 
wurde. Noch oft wurde ihm der Antrag erneuert, für Entsa¬ 
gung der Herrschaft ein reichliches Zahrgehalt zu erhalten; aber 
er schlug standhaft jedes Anerbieten auö, weigerte sich auch, 
die von Napoleon ernannten Bischöfe zu bestätigen. Da ent¬ 
brannte Napoleons Zorn. Er befahl, den schwachen Greis 
mit äußerster Strenge zu behandeln; es wurden ihm alle Be¬ 
quemlichkeiten entzogen, selbst Feder und Tinte untersagt. So 
brachte der standhafte Pius, von ganz Europa bedauert und 
bewundert, drei Jahre lang in Savona zu. 
Ganz Italien stand seit der am Papste verübten Gewalt- 
that unter französischem Einftuß. Zn Neapel regierte Murat 
dem Namen, Napoleon der That nach; der übrige Theil war 
zwischen dem Königreiche Italien und Frankreich getheilt. Nur 
auf Sicilien und Sardinien regierten noch Fürsten aus alten 
italienischen Häusern; dort Ferdinand, hier Victor Emanuel. 
114. Die Türken. 
Die für uns wichtigeren Begebenheiten haben nur selten 
erlaubt, einen Blick auf die seit 1453 in Constantinopel herr¬ 
schenden Türken zu werfen. Allein die neuere Zeit brachte sie 
mit den europäischen Nationen in nähere Berührung, und da 
wir unsere Zeit umständlicher kennen müssen, als die uns ent¬ 
fernter liegende, so ist nöthig, von den Hauptereignissen dieses 
Volks während des löten Jahrhunderts einiges zu sagen. 
Seit 1789 regierte in Constantinopel Sultan Selim3., 
ein verständiger und der europäischen Cultur sehr gencigtec
	        
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