Object: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

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«r fleißig und erkundigte sich nach allem. Hierauf begab er sich nach 
Amsterdam zurück und ließ ein Kriegsschiff von sechzig Kanonen unter 
seiner Aufsicht bauen, das er, mit Seeleuten, Offizieren, Bauleuten und 
Künstlern versehen, nach Archangel schickte. 
Im Jahre 1698 schiffte er sich nach England ein. Zu London that 
sich wieder eine neue Welt vor ihm auf. Nichts entging seiner Aufmerk- 
samkeit; alles ließ er sich erklären und schickte dann einzelne Modelle 
in seine Heimat, sogar von einem Sarge. Vorzüglich erregte das eng- 
lische Seewesen seine Aufmerksamkeit. Der König Wilhelm veranstaltete 
ihm zum Vergnügen ein kleines Seetreffen. Ein so furchtbar schönes 
Schauspiel hatte er noch nie gesehen. „Wahrlich," rief er verwundert 
Ms, „wäre ich nicht zum Czar von Nußland geboren, so möchte ich eng¬ 
lischer Admiral sein!" Über fünfhundert Engländer nahm er in seine 
Dienste. Nach dreimonatlichem Aufenthalte begab er sich durch Holland 
über Dresden nach Wien. Als er eben im Begriffe war, auch Italien 
zu besuchen, erhielt er die Nachricht von einer neuen Empörung der 
Strelitzen. Ergrimmt eilte er nach Moskau zurück und hielt, da der 
Aufruhr durch seineu General Gordon bereits gedämpft war. ein furcht- 
bares Gericht. Der größte Verdacht fiel wieder auf seine Schwester 
Sophie. Da sie aber jede Teilnahme leugnete, zog er wütend sein 
Schwert und würde sie niedergestoßen haben, hätte sich nicht ein Kam- 
ittermädchen dazwischen geworfen, laut schreiend: „Halt, es ist deine 
Schwester!" Bei diesen Worteu entfiel dem Czar das Schwert. Er 
Zankte dem Mädchen, daß es ihn vor Blutschuld bewahrt habe. Zur 
furchtbaren Warnung aber ließ er vor ihrem Kloster acht und zwanzig 
Balgen ausrichten und huudertsünfzig Schuldige aufhängen. Fast zwei- 
hundert fielen als Opfer der Empörung; die unruhige Schar der Stre- 
Bitzen ward aufgehoben. 
Nicht lange nachher starb Le Fort. Der Tod dieses Mannes ver- 
^nkte den Czar in tiefe Trauer. Nun ward Menzikow sein Liebling. 
Dieser war der Sohn eines Landmannes in der Nähe von Moskau und 
hatte früher in den Straßen mit Backwerk gehandelt. Le Fort, dessen 
Aufmerksamkeit er als ein munterer Bursche auf sich zog, hatte ihn zu 
seinem Diener angenommen, dann aber ihn, als er ausgezeichnete Ta¬ 
rnte verriet, für den Staatsdienst herangebildet. Dieser neue Günst- 
des Czareu schwang sich von Stufe zu Stufe empor; er wurde in der 
Minister, Feldmarschall und Herzog; fast alle europäischen Höfe
	        
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