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unser harrte. Hühnchen entzündete feierlich ein Stückchen Feuerschwamm,
das an einem Stückchen befestigt war, und feuerte mit großem Geschick
diesen festlichen Böller ab. Er gab einen kleinen, zimperlichen Knall von
sich, und die Weinlese begann. Bei dem stürmischen Eifer der kleinen
Winzer war sie in einer halben Minute beendigt. Auch das festliche Nuß-
pflücken nahm nicht mehr Zeit in Anspruch. Hühnchen nahm nun eine
kleine Blechpfeife aus der Tasche, stellte sich an die Spitze seiner Nach-,
kommenschaft und hielt einen feierlichen Amzug durch den Garten, wozu
er einen herzbewegenden Marsch in einer verkehrten Melodie nach einem
falschen Tempo blies. Nachdem dieser Umzug beendet und die einge¬
sammelten Früchte abgeliefert waren, machte sich Hühnchen an die Vor¬
bereitungen zum Feuerwerk, da die Dunkelheit bereits hereingebrochen
war. Nach einer erwartungsvollen Pause ward es durch einen der bereits
bekannten Böllerschüsse eingeleitet. Der erste Teil bestand aus einem
großartigen Sprühteufel, an den mindestens für 25 Pfennig Pulver
verschwendet war. Den größten Effekt machte aber der zweite Teil, die
bengalische Beleuchtung des Springbrunnens, eine Nummer, die ein-
stimmig da capo begehrt wurde. Diesem ehrenden Verlangen konnte aber
keine Folge gegeben werden, weil das Pulver alle war. „Ohne Rakete
ist die Sache eigentlich nur halb, allein das geht nicht," sagte Hühnchen
dann, „aber ich verstehe mich herrlich auf eine ganz gefahrlose Sorte."
Damit steckte er einen Finger in den Mund und machte so täuschend
das Geräusch einer steigenden und platzenden Rakete nach, daß wir in die
Hände klatschten und bewundernd „Ah!" riefen, wie die Leute zu tun
pflegen, wenn der bunte Sternenregen leuchtend hervorblüht. Natürlich
immer mit Ausnahme der steifen alten Dame mit der glänzenden Ver¬
gangenheit; diese saß wie eine feierliche alte Mumie da und sah unergründ¬
lich aus.
5. Das Abendessen war dem glanzvollen Verlaufe dieser Festlichkeit
vollkommen angemessen. An jedem Platze lag ein fein beschriebenes
Kärtchen mit folgendem Inhalte:
Menu.
1. Speisen.
Pellkartoffeln mit Hering. Dazu Zwiebeln und Speck. (1X8. Kar¬
toffeln und Zwiebeln eigenes Wachstum.)
Kartoffelpfannkuchen mit Johannisbeeren. (1X8. Spezialität der
Frau Hühnchen.)
Butter und ganz alter Berliner Kuhkäse.
Weintrauben, Walnüsse. (Eigenes Wachstum.)
H cid er und Nohl, Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. III. Teil. 3