Full text: Erzählungen aus der Geschichte alter und neuer Zeit

112 
Muhamed. 
jenem Brunnen, der ihrem Stammvater das Leben rettete, eine so hohe 
Achtung erweisen. Noch jetzt kommen Pilgrimme aus fernen Landern 
nach Mekka und beten in der Kaaba und küssen den schwarzen Stein 
und trinken aus dem Brunnen der Hagar, waschen sich aus demselben 
und nehmen in kleinen Fläschchen heiliges Wasser mit in ihre Hei- 
math, den Freunden das kostbarste Angedenken, für alle Krankheiten 
ein sicheres Heilmittel voll wunderbarer Kraft. 
§ 68. Wegen jener Heiligthümer stand Mekka in hohem Ansehn 
vor allen andern Städten Arabiens; durch den Zusammenfluß von 
Fremden, theils Pilgern, theils Kaufleuten, war die Stadt zu großer 
Wohlhabenheit gelangt. Einen noch höhern Ruhm erreichte sie um 
das Jahr 622 durch Muhamed oder Mahomed, welcher der Stif¬ 
ter einer neuen Religion geworden ist, die nach ihm die muhamedani- 
sche heißt. Muhamed war aus dem Stamme der Kore'ischiten, welche 
die Aufsicht über die Kaaba führten. Seinen Vater Abdallah verlor 
er sehr früh; von seinem Großvater, spater von einem Oheim wurde 
er erzogen; er widmete sich der Kaufmannschaft; eine reiche Wittwe, 
Kadidscha, übergab ihm ihre Handelsgeschäfte und bot ihm ihre Hand. 
Im Besitze großer Reichthümer konnte er nun ein geruhiges Leben 
führen, sich dem Nachdenken, welches früh schon in ihm geweckt wor¬ 
den war, überlassen, die reichen Erfahrungen, welche er theils bei dem 
Zusammenflüsse von Menschen aus fremden Ländern in Mekka, theils 
auf seinen weiten Reisen gemacht hatte, konnte er ungestört überdenken 
und benutzen. Er erkannte, wie unvollkommen der Gottesdienst bei 
den Arabern war und suchte ihn zu läutern. Mit der Religion der 
Juden war er nicht unbekannt; die Propheten, welche unter ihnen 
aufgetreten waren, waren ihm ehrwürdige, von Gott zum Heile des 
Volkes gesendete Männer. Er wußte, daß den Juden ein Messias 
verheißen sei und daß die Christen in Jesu Christo diesen Messias ver¬ 
ehrten; er wußte auch, daß Christus den Seinen versprochen hatte, er 
wolle ihnen einen Tröster senden, der sie in alle Wahrheit leiten solle. 
AUmälig hatte sich in Muhameds Seele der Gedanke festgesetzt, daß er 
selbst der von Christo verheißene Tröster sei, berufen, die Welt in alle 
Wahrheit zu leiten. Dieser Idee gab er sich nun mit voller Seele 
hin; immer gewisser ward er seiner göttlichen Sendung; durch Traum¬ 
gesichte (Visionen) erhielt er Aufschluß über die Geheimnisse Gottes; er 
betrachtete sich als göttlichen Propheten, auch rühmte er von sich, daß 
der Erzengel Gabriel ihn in den Himmel geführt habe, — im Nu 
durch aller Himmel Himmel. * 
Anfangs theilte er sich nur wenigen Vertrauten mit; bei einem 
Gastmahle aber wagte er es, vor den Kore'sschiten von seiner Sendung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.