220 Kampf gegen Napoleons Gewaltherrschaft.
mit Weib und Kindern flüchten. An einen Hof wird man sich jetzt
vor der allgemeinen Sittenverderbnis wie auf eine glückliche Insel zurück¬
ziehen können. Um eine treffliche Frau zu finden, mußte ein behutsamer
junger Mensch sonst in die entlegenen Provinzen, wenigstens in die
gänzlich von Stadt und Hof entfernten Familien gehen; künftig wird
man, wie es nach dem ursprünglichen Begriff sein sollte, an den Hof,
als den Sammelplatz des Besten und Schönsten gehen und sich glücklich
preisen können, eine Frau aus der Hand der Königin zu empfangen." —
Trotz der strengen Hofsitte, die das höfliche „Sie" vorschrieb, gebrauchten
Friedrich Wilhelm und Luise im Verkehr unter einander das trauliche
„Du." Die Kunde davon drang zum Könige, der seinen Sohn darüber
befragte, aber die Antwort erhielt: „Mit dem Du weiß man doch immer,
woran man ist; dagegen bei dem Sie ist immer das Bedenken, ob's
mit einem großen S geschrieben wird oder mit einem kleinen." Nach
den öffentlichen Festlichkeiten des Hofes erschien dem Kronprinzen seine
Gemahlin „wie eine in ihrer ursprünglichen Reinheit wiedergewonnene
Perle." Einst ergriff er bei einem solchen Anlaß ihre Hände und sprach:
„Gott sei Dank, daß du wieder meine Frau bist!" Als Luise zum
erstenmal ihren Geburtstag in Berlin feierte, schenkte ihr der König
das prächtig ausgestattete Schloß Oranienburg, in dem Luise von
Dramen einst segensreich gewaltet hatte. Dennoch bewohnte sie es nicht,
sondern gab dem lieblichen Landgut Paretz den Vorzug, das der Kron¬
prinz zwei Meilen von Potsdam an den Wiesen der Havel „in einfach
ländlichem Stile" erbauen ließ. Dem Baumeister und Gärtner sagte er:
„Nur immer denken, daß Sie für einen armen Gutsbesitzer bauen."
In Paretz „sah man keine kostbaren Möbel, keine prächtig geschmückten
Wände, keine reichgearbeiteten Teppiche, keine seidenen Decken und Vor¬
hänge, keine goldenen und silbernen Gerätschaften oder andere wertvolle
Kunstsachen." Einer fremden Fürstin versicherte Luise auf ihre Frage,
sie gefalle sich ausnehmend als „gnädige Frau von Paretz." Der
Glanz des Thrones blendete sie nicht. „Freilich konnten wenige, so wie
sie, bei der stillen Majestät ihrer Schönheit so der äußeren Hilfsmittel
entbehren. Die Königin erschien nie, außer wo es die Würde ihres
Standes erheischte, prachtvoll. Nie sah ich sie anders als in leichten
Mousselin gekleidet, das schöne, leicht umlockte Haupt eben so einfach
geschmückt. — Eine Landesmutter, sah und grüßte Luise von Preußen
in dem geringsten ihrer Unterthanen einen Sohn oder eine Tochter; hob
sie am Wege spielende Kinder liebend empor auf ihre Arme, an ihr
Herz; bückte sie sich tröstend zu dem am Wege kauernden Mütterchen
nieder, und wo es nicht der milden Gaben bedurfte, zu der ihre Hand
immer offen war, da ließ sie als Andenken wenigstens ein Wort fallen,
das unauslöschlich in dem Herzen des Angeredeten blieb." (Frau von Berg.)
Beim Erntefeste vergaß das fürstliche Paar seine Hoheit, mischte sich in
die lustigen Tänze der jungen Bauersöhne und Töchter und tanzte ver¬
gnügt mit; selbst von Köckeritz und die Oberhofmeisterin tanzten dann
wohl. Als aber einmal Luise "und ihr Gemahl auf einem Leiterwagen
in den Wald wollten, lehnte die Oberhofmeisterin es standhaft ab, die
Fahrt mitzumachen. Das eheliche Glück des künftigen Königspaares