Vorwort.
Seit A lsred Kirchhof f das große Reformprinzip in die Schulgeographie ge-
tragen, beharrt die Länderkunde nicht mehr bei der bloßen Aufspeicherung geographischer
Tatsachen; sie sucht nach dem natürlichen Zusammenhang der Erscheinungen. Die heutige
Länderkunde will zeigen, wie du r ch das Zusammenwirken aller g e o -
g r a p h i s ch e n F a k t o r e n (Boden, Klima, Bewässerung, Pflanzen-, Tier- und Menschen-
Welt) die besondere Eigenart eines Erdraumes verursacht wird.
Aus diesem Grunde lautet ihre Hauptforderung: Verbinden, verbinden und
w i e d e r v e r b i n d e n. Ter natürliche Zusammenhang der geographischen Dinge offen-
bart sich aber am schönsten im Bereiche sog. Naturgebiete oder Landschaften. D i e Z e r -
le gun g eines Landes in „erdkundliche E inh e it e n" und deren
Formung zu einem organischen Ganzen bei inni gster Durch-
d r i n g u u g der natur- und k u l t u r g e o g r a p h i s ch e u Elemente: das
ist der Weg, den der länderkundliche Unterricht seit A. Kirchhofs zu nehmen hat und dem
auch der Breslauer Geographeutag (1903) gewissermaßen die Bestätigung erteilte. Diesen
Weg zu beschreiten war unser Bemühen.
Die täglich wachsende Flut des Lehrstoffs und die Notwendigkeit, die hohen Prak-
tischen Aufgaben des erdkundlichen Unterrichts immer wirksamer zu gestalten, das Neben-
sächliche und Untergeordnete zurückzudräugen und das Bedeutsame und Dauernde in den
Vordergrund zu stellen, erheischen aber hente dringender denn je eine einfachere Gestaltung
des geographischen Schulwissens.
In der Fülle des Stoffes kann auch unmöglich der Wert der geographischen Belehrung
gesucht werden. Vergebens fragen wir uns daher bei der Aufzählung der Gebirge und
Täler, der Flüsse, Seen und Meerbusen, bei dem überreichen Detail topographischer Grenz-
beschreibuug oft: Wo will das alles hinaus? Was soll die Aufhäufung dieser Tatsachen
für sich allein bedeuten? Tie Flüsse, Seen und Meere, die Berge und Täler, die Ebenen
und Gebirge, Wind uud Wetter sind wirkende Faktoren im Leben der Natur und des Menschen,
sie sind eine Quelle vou Energien, in deren Ausnutzung und Beherrschung sich die Völker
betätigen je nach dem Maße ihrer Intelligenz und ihrer Willenskrast, sie sind Naturmächte,
die in fühlbarer Weise den Gang der Völker- und der Weltgeschichte beeinflussen. Hierüber
hat der geographische Unterricht und das geographische Lehrbuch Aufschluß zu erteilen,
wenn es das Interesse des Lehrenden und des Lernenden erregen soll.
Tie Gegenwart verlangt mehr ein Verweilen bei einem geographischen Gedanken
als ein Hasten nach immer neuen Tatsachen, mehr ein Zusammenfassen unter weiten Ge-
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