Full text: Geschichte der neuesten Revolution

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kolonne, die unter der Anführung des Dichters Herwegh 
in Baden einfiel. Der vom Rcvolutionsschwindel ergriffene 
Herwegh mit seinem Schleppsäbel war der erste, der nebst 
seiner Frau vor den Württenrbergischen Truppen feig hie 
Flucht ergriff und seine verführten Anhänger ihrem Schick¬ 
sal überließ. 
Schon in der Mitte Mai konnte die deutsche National¬ 
versammlung unter dem Vorfitz des Freiherrn Heinrich 
von Gagern in der St. Paulskirche zu Frankfurt eröffnet 
werden — ein imposantes, Deutschland zum ersten Mal 
in solcher Weise gebotenes Schauspiel, das von Millionen 
mit unendlichem Jubel und unermeßlichen Hoffnungen be¬ 
grüßt wurde. Als aber in einer der ersten Sitzungen von 
einem katholischen Bischof der Antrag gestellt, daß die Ver¬ 
sammlung mit einem feierlichen Gottesdienste eröffnet werden 
sollte, und dieser Antrag von den Einen schnöde zurückgc- 
wiesen, von den Andern nur, lau ausgenommen oder ver- 
theidigt wurde, ging durch Vieler Seelen eine trübe Ahnung, 
welche an das Wort der Schrift dachten: „Wo der Herr 
nicht das Haus bauet, da arbeiten umsonst die 
daran bauen." 
Bevor wir jedoch die weitern Schicksale dieser Ver¬ 
sammlung erzählen, müssen wir auf den inzwischen einge¬ 
tretenen Gang der Ereignisse, besonders in den beiden hervor¬ 
ragendsten deutschen Einzelstaaten, Oesterreich und Preußen, 
einen Blick zurückwerfen. 
3. Die Wiener Wevokutton. 
Der große österreichische Kaiserstaat, aus den ver¬ 
schiedensten deutschen, slavischen, magyarischen und ita- 
liänischen Nationalitäten und Ländern bestehend, konnte, wie 
es schien, nur durch die fest und streng ungezogenen Bande 
einer fast unumschränkt monarchischen und auf den unge- 
änderten Bestand des Bestehenden gerichtete Regierungs¬ 
form zusammengehalten werden. Von den Untcrthanen dcS 
Kaiserreichs gehörten nur etwa 9 oder 10 Millionen zum 
deutschen Bunde. In den deutsch-österreichischen Landen 
hatte es allerdings schon von Alters her landständische Ver¬ 
fassungen und Landesordnungen gegeben, die auch nach den 
großen Freiheitskriegen beibehalten oder wiederhcrgestellt, 
aber auf das geringste Maß politischer Bedeutsamkeit herab¬ 
gesetzt wurden. An eine Reichsverfassung oder Konstitution, 
die alle Völker Oesterreichs umfaßt hätte, war schon wegen
	        
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