Object: Erzählungen aus der Weltgeschichte

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geistliche Ketzergericht) in Spanien mit furchtbarer Strenge und Tau¬ 
sende fanden wegen Ketzerei den Tod in den Flammen. 
Auch in Deutschland übte die Geistlichkeit viele Gewalt aus und 
auch der hohe und niedere Adel maßte sich viel Gewalt au. Da war 
es wohl endlich nöthig, daß ein kräftiges Oberhaupt auftrat. In der 
Schweiz lebte 1273 ein edler Graf, Rudolph von Habsburg, der schon 
in Friedrichs II. Heer gedient und sich wacker gehalten hatte. Noch 
sieht man die Ruinen seines Schlosses im Aargau. Nach seines Vaters 
Tode suchte er seine ererbten kleinen Besitzungen zu erweitern, indem 
er eine Schaar von gemischten Leuten unter sein Banner reihte, mit 
denen er seine unruhigen Nachbarn befehdete. Durch eine glückliche 
Heirath gewann er noch an Ansehen und Macht und stieg auch dadurch 
immer mehr in der Achtung, daß er die friedlichen Bürger gegen die 
raubsüchtigen Adeligen beschützte. Als Erzbischof Wernher von Mainz 
nach Rom meiste, um das Pallium (das Zeichen der erzbischöflichen 
Würde) zu erhalten, wurde er von Rudolph nicht nur höchst freund¬ 
schaftlich empfangen, sondern bei der Unsicherheit der Wege auch bis 
über die Alpen begleitet, was Wernher außerordentlich für ihn einnahm. 
Früher schon war Rudolph ein Priester begegnet, der, mit den heiligen 
Sakramenten versehen, bei schlechtem Wege zu einem Kranken in's 
nächste Dorf gieng. Rudolph, ihn erblickend, stieg ab, verneigte sich 
und nöthigte den Geistlichen, sich auf sein Pferd zu setzen, während er 
darneben hergieng und es sogar führte. Der Erzbischof hatte Rudol¬ 
phen bei dem Abschiede gesagt, er werde seiner gedenken, und er hielt 
auch Wort. Als die Bischöfe und Fürsten wegen der Kaiserwahl in 
Frankfurt versammelt waren, schlug er ihn vor, da ihm an Einsicht, 
Verstand und Thätigkeit Keiner vorzuziehen sey. So erhielt er den 
Vorzug vor dem mächtigen Ottokar von Böhmen, der sich ebenfalls 
um die deutsche Krone bewarb. Die anwesenden Kurfürsten waren fast 
alle noch unvermählt und da Burggraf Friedrich von Nürnberg, ein 
Verwandter Rudolphs, bemerkte, dieser habe sechs schmucke Töchter, 
die er sehr gern mit solchen Männern vermählen werde, so war die Kaiser¬ 
wahl in ganz kurzer Zeit im Reinen. Rudolph, voll Gefühl seiner 
selbst, schien zwar überrascht, nahm aber, weder erstaunt, noch ver¬ 
wundert, die Krone an, zog von Basel, das er belagerte, ab und 
eilte nach Frankfurt, von wo er nach Aachen geleitet wurde. Die' 
Krönung erfolgte unter lautem Jubel 1273. Da nun die übliche 
Belehnung vorgenommen werden sollte und, als man schon vor dem 
Altar stand, daö Scepter vermißt wurde, ergriff Rudolph ein Kreuz 
mit der Aeußerung, dieses werde, da es die Welt erlöst habe, doch
	        
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