WWWW 
198 
Gefangenschaft gebrochen war. Sie legte sich anfs Bitten und ver¬ 
sprach, ihre Offenbarungen zu widerrufen und nie wieder dergleichen 
vorzugeben. »Gut!« sagten die Richter, »dann soll deine Strafe 
gemildert werden; du sollst — auf Zeitlebens bei Wasser und Brot 
im Gefängnisse bleiben!« — Aber bald ärgerten sie sich, daß sie 
das Mädchen nicht lieber aus der Welt geschafft hätten, und dachten 
auf einen Vorwand es noch zu thun. 
Sie hatte unter andern versprechen müssen, nie wieder Manns- 
kleider zu tragen. Geschwind hingen daher ihre Feinde solche Klei¬ 
der in ihr Gesängniß. Sobald Johanna sie sah, wachten die alten 
Gedanken wieder mit aller Lebhaftigkeit aus. Sie konnte dem Triebe 
nicht widerstehen, sie anzuziehen und sich in ihnen in die glücklichen 
Tage ihrer kriegerischen Thätigkeit zurückzuträumen. Da rauschte 
plötzlich die Thür auf; ihre Gefangenwärter überraschten sie in der 
verbotenen Tracht, und nun half kein Bitten und Flehen und Ver¬ 
sprechen. Es hieß, sie sei eine zurückgefallene Ketzerin und müsse 
daher sterben. Dies Urtheil wurde auch wirklich an ihr vollzogen, 
und sie aus dem Marktplatze von Rouen verbrannt. Selbst der 
Scharfrichter war durch die Hinrichtung des unschuldigen Mädchens 
so ergriffen, daß er, so wie zwei ihrer Richter, nachher die heftig¬ 
sten Gewissensbisse über seinen Antheil daran empfand; und als 24 
Jahre später die Verwandten der Jungfrau es dahin brachten, daß 
die Akten ihres Prozesses noch einmal nachgesehen wurden, fand es 
sich auch, daß nur die Ränke der schändlichen Priester sie schuldig 
gemacht hatten. Nun wurde sie, freilich zu spät, für unschuldig er¬ 
klärt. Man errichtete ihr in Orleans mit Recht eine Ehrensäule, 
und noch bis auf den heutigen Tag wird dort jährlich der Tag 
durch ein Volksfest gefeiert, an welchem sie die Stadt von den Eng¬ 
ländern besreiete. Auch die Hütte in Domremi, in welcher sie ge¬ 
boren wurde und lebte, selbst die Kammer, worin sie schlief, ist noch 
erhalten und wird von den Reisenden oft noch mit Rührung be¬ 
trachtet. 
Karl VII. kann mit Recht getadelt werden, daß er so gar nichts 
that, das Mädchen, dem er doch eigentlich sein ganzes Reich ver¬ 
dankte, zu retten. Ob es ihm, auch wenn er sein Möglichstes ge- 
than hätte, gelungen wäre, ist freilich noch sehr die Frage; aber 
das kann seine Undankbarkeit nicht entschuldigen. 
Die wichtigsten Erfindungen des Mittelalters. 
Die Erfindung des Kompasses. 
(1300.) 
Im Alterthume war man auf die Beschiffung der Küsten und 
Binnenmeere beschränkt; denn es fehlte an einem sicheren Wegweiser 
durch die großen Wasserflächen. Man verstand es zwar, sich nach
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.