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Dieweil er aber Tag und Nacht im Kloster studirte und betete
und sich dabei mit Wachen und Fasten kasteiete und abmarterte,
ward er kränklich und schwermüthig. Da schickte ihm Gott einen
alten Klosterbruder als Beichtvater zu; der tröstet ihn herzlich und
weist ihn auf die gnädige Vergebung der Sünden durch Jesum
Christum hin. Dies ist dem Doktor Luther ein lebendiger Trost in
seinem Herzen gewesen.
Der fromme Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen
hatte zu Wittenberg 1502 eine Universität gegründet. Doktor
Johann Staupitz, welcher damals über 40 Augustiner-Klöster
gesetzt war, hatte Befehl, sich nach gelehrten Leuten umzusehen und
solche gen Wittenberg zu fordern. Da er an Luthern eine sonder¬
liche Geschicklichkeit und ernstliche Frömmigkeit spürt, bringt er den
Bruder Martin ins Kloster nach Wittenberg im Jahre 1508. Mit
allem Fleiße studirte dieser allda die heilige Schrift und erklärte
sie so trefflich, daß sich schon zu der Zeit gute Leute darüber ver¬
wunderten.
Im Jahre 1510 sandte ihn sein Orden nach Rom. Hier sah er
den Papst und lernte gar viele gottlose Geistliche kennen. Beson¬
ders war er darüber sehr unwillig, daß sie den Gottesdienst so
leichtsinnig betrieben. Es hat ihn das nachmals wohl gestärket, da
er so ernstlich wider die römischen Gräuel schrieb. Auch hat er sich
an seinem Tische oft vernehmen lassen, er wollte nicht tausend Gul¬
den dafür nehmen, daß er Rom nicht sollte gesehen haben.
Im Jahre 1512 wurde Bruder Martin zum Doktor der hei¬
ligen Schrift in Wittenberg erklärt, nachdem er öffentlich einen
theuren Eid geschworen, ec wolle die Bibel sein Lebelang studiren
und predigen.
Luthers Kampf gegen den Ablaß.*)
Im Jahre 1516 kam nach Deutschland ein Mönch, Johann
T e tz e l, und verkaufte auf Befehl etlicher Bischöfe im deutschen
Lande römischen Ablaß um Geld. Er machte davon groß Gepränge.
Mit vielen Feierlichkeiten zog er in die Städte ein. Auf einem
Kissen von Sammet wurde die päpstliche Bulle (das ist eine Kapsel,
worin das päpstliche Schreiben lag, welches den Ablaß verkündigte)
vorangetragen. Die Priester, der Magistrat und die Schuljugend
der Städte zogen mit Kerzen und Fahnen ihm entgegen; alle Glocken
läuteten. So ging es in die Kirche. Nun begann der Handel.
Tetzel hatte zwei Kasten bei sich; in dem einen waren die Zettel, in
dem andern befand sich das Geld. Er pflegte wohl zu rufen: »So¬
bald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer
*) Nach Mathesius.
Geschichtsbilder. 2te Ausl.
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