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Viertes Buch. Erster Abschnitt.
angenommen, daß das Wahlrecht an jene Erzämter des Reiches gebunden
sei. So war denn das ursprüngliche Wahlrecht des ganzen Volkes,
welches später die Volksherzoge, als Vertreter der verschiedenen deutschen
Stämme, ausgeübt hatten, nach dem Schwinden der großen Volksherzog-
thümer, jetzt in den ausschließlichen Besitz eines eigenen Wahlkollegiums
übergegangen. Die Kurfürsten waren jedoch damals in Streit, ob der Kö¬
nig Ottokar von Böhmen, als ein Fürst von slavischem Geblüt, eine
Stimme bei der Wahl haben sollte; denn, wiewohl das Reichsamt des
Erzschenken von Baiern auf Böhmen übergegangen war, so machten doch
die Kurfürsten jetzt den Grundsatz geltend, daß das Wahlrecht von alten
Zeiten her an dem Volks stamm (also an Baiern), nicht an dem Erzamt
hafte. Darnach schwankten sie auch noch wegen der Wahl des rechten
Mannes; denn sie wünschten einen König, welcher von Haus aus nicht
so mächtig wäre, daß er sie in der Erweiterung ihrer landesherrlichen Ge-
walt etwa beschränken könnte. Indessen hatte sich der Erzbischof Werner
schon den rechten Mann für die deutsche Krone ausersehen, und bewog die
übrigen Kurfürsten, daß sie alle ihre Stimmen dem Pfalzgrafen Ludwig bei
Rhein übertrugen, welchen er bereits gewonnen hatte. Dieser nannte nun
als den würdigsten Mann für die deutsche Krone den Grafen Rudolf von
Habsburg.
Graf Rudolf von Habsburg war in der Schweiz unb am Oberrhein
begütert, wiewohl nicht so reich, daß die allzügroße Macht seines Hauses
die Fürsten hätte besorgt machen können; — übrigens stammte er von ur¬
altem fürstenmäßigem Adel, war unerschrocken, reif an Jahren und Klugheit,
tüchtig in allen Dingen, bieder von Herzen, schlicht von Sitten, ein Freund
des Rechts und des Volks. Wie aber der Erzbischof Werner seine Gedan¬
ken gerade auf ihn gerichtet hat, das wird also erzählt. Der Erzbischof
hatte einen Kapellan, welcher vordem in der Schweiz Seelsorger gewesen
war; dieser sagte ihm Folgendes vom Grafen. Als er (der Kapellan) noch
in der Schweiz war, brachte er einst einem kranken Manne das heilige
Abendmal, kam unterwegs an ein Wildwasser, imb schickte sich an, es zu
durchwaten. Sieh, da begegnete ihm zufällig Graf Rudolf von Habsburg,
welcher auf die Jagd geritten war, stieg demüthig vom Pferd, unb hob ihn
auf dasselbe. Und als ihm der Priester des andern Tages das Roß zurück¬
brachte, sprach der Graf ehrfürchtig: „Da sei Gott für, daß ich das Roß
je wieder besteige, welches daö heilige Sakrament getragen! Behaltet es
zum Dienst der Kirche!" Bei dieser Erzählung des Kapellans erinnerte sich
der Erzbischof von Mainz, wie der Graf ihm selber einst in großen Treuen
ein gutes ritterliches Geleit gen Welschland gegeben hatte, als er sich von
Rom den Bischofsmantel holte, und wie er dem Grafen damals versprochen
hatte, er wolle ihm diesen Dienst dereinst noch vergelten. Dies Versprechen
erfüllte er jetzt; denn er hatte damals Rudolfs Biederkeit und Tüchtigkeit
erprobt, und ruhte nun nicht, als bis derselbe zum König der Deutschen
erhöht ward. S
Rudolf befand sich gerade im Feldlager vor Basel, als er die Nach¬
richt von seiner Ethöhung erhielt. Da öffnete ihm die Stadt alsogleich
ihre Thore; der Bischof von Basel hingegen rief ganz erschrocken: „Jetzt
sitz fest auf deinem Thron, lieber Herr Gott, sonst kommt der Rudolf auch
noch dahinauf!" Doch Rudolf vertrug sich schnell mit seinen Feinden und
fuhr dann gen Aachen zur Krönung. Als er nun dort (am 31. Oktober
1273) gekrönt worden war und den Fürsten die Reichslehen verleihen wollte,