Karl der Kühne, Herzog von Burgund.
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mit stattlichen Heeresschaaren heran, um Neuß zu entsetzen. Alles erwartete
eine entscheidende Schlacht; siehe da ward (1475) plötzlich Friede geschlos¬
sen zwischen dem Kaiser und dem Herzog, und der Kaiser entließ sein Heer.
Der Herzog von Burgund dachte bereits an einen andern Kampf. Erz¬
herzog Sigismund von Tyrol hatte ihm das Elsaß verpfändet, und Karl
einen ungerechten tyrannischen Mann, Peter von Hagenbach, als burgundi-
schen Landvogt dahin gesetzt, welcher das Land grausam bedrückte. Nun
hatten Frankreich, die Stände im Elsaß und Oesterreich um die Freundschaft
der Eidgenossen geworben und Bündnisse mit ihnen geschlossen, ebenso der
junge Herzog Rene von Lothringen, unv da es der Hagenbach, wel¬
cher zu°Breisach saß, in seinem Uebermuthe zu weit trieb, so hatten ihn die
Bürger gefangen und er war (1474) hingerichtet worden. Der Kaiser selbst
hatte den Eidgenossen geboten, in Hochburgund einzufallen, auch der König
von Frankreich hatte sie dazu gereizt und sie hatten es mit Freuden gethan.
Nachdem aber der Friede in der kölnischen Angelegenheit geschlossen worden
war, verließen der Kaiser und der König von Frankreich treulos die Schwei¬
zer. Da brach Karl der Kühne zornentbrannt (1476) in Lothringen ein,
eroberte es, brachte den König von Frankreich auf seine Seite und warf
sich dann mit seiner ganzen Macht auf die Schweizer. Vergeblich suchten
diese durch Abgesandte den Frieden zu erhalten. Karl gewann Genf und
Lausanne. In Grandson ergab sich die Besatzung der Burg auf das Eh¬
renwort eines bübischen Edelmanns, welcher wie ihr guter Freund zu den
Belagerten kam und ihnen im Namen des Herzogs freien Abzug zusicherte.
Aber als sie aus der Burg hervorzogen, ließ Karl der Kühne die 450 tapf¬
ren Kriegsmänner ergreifen unt> wie Verbrecher hinrichten. Da zogen zwan¬
zigtausend Schweizer (1476) einträchtig zur Blutrache gegen Grandson
heran, und schlugen (am 3. März) des Herzogs überlegenes kriegsgeübteö
Heer, daß es in wilder Flucht dahinjagte; sein ganzes Lager mit allen
Kostbarkeiten ward von den Siegern erbeutet. Karl der Kühne tobte vor
Schmerz und Grimm. Bald hatte er wieder sechzigtausend Kriegsleute un-
ter seinen Fahnen und zog von Lausanne gegen den Neuenburger See und
Murten; von dort wollte er gen Bern und Freiburg rücken. Er stürmte
Murten, doch es widerstand heldenhaft. Sobald die in Lothringen, in Stra߬
burg und in der Schweiz es erfuhren, kamen sie eilig wider seine große
Wuth und Gewalt herbei. Am 22. Juni 1476 geschah bei Murten eine
Schlacht. Da ward der See vom Blute roth, funfzehntausend seines Kriegö-
volks wurden ihm erschlagen. Karl selbst mußte mit dreitausend Reitern
fliehn; nur mit dreißig kam er, todtenbleich und schweigend, an den Gen-
sersee. Die Schweizer harrten nach altem Brauch drei Tage lang aus dem
Siegesfelde, dann versenkten sie die Leichen der erschlagenen Feinde in gro¬
ßen Gruben; später (1480) errichteten sie für die Knochen ein Beinhaus,
fürstlichem Uebermuth zur Warnung.
Nun wollten der Papst, der Kaiser und der König von Ungarn Frie¬
den vermitteln. Aber Karl der Kühne war vor Scham und Verzweiflung
wie von Sinnen und wollte das Glück erzwingen. Oft saß er schweigend
und brütete vor sich hin, dann stürzte er Becher Weins hinab, um sich zu
betäuben, sprang auf, raufte sein Haar und rief, daß sich Alle vor seinem
gottverlass'nen Wesen entsetzten: „Nichts von Nachgeben, nichts von Frie¬
den, wenn der Junge von Lothringen nicht ausgeschlossen bleibt!" Der
Herzog Renü von Lothringen hatte nämlich nnttlerweile sein Land und seine
Hauptstadt Nancy wieder gewonnen, und die Schweizer sandten ihm acht
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