Full text: Die Geschichte des deutschen Volkes

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Fünftes Buch. Vierzehnter Abschnitt. 
— Endlich stieg damals gleichwie ein Regenbogen, als Zeichen eines neuen 
Bundes, einer neuen Offenbarung Gottes in der Menschheit, die Welt- 
weisheit (Philosophie) über der Menschheit empor; sie glich und gleicht 
noch ganz jener siebenfarbigen Brücke, welche den Himmel mit der Erde 
verbindet unb deren sieben Farben doch nur ein einziger Strahl des ewigen 
Lichtes sind. Ein armer deutscher Schuster, Jakob Böhme, (von Görlitz, 
gestorben 1624,) hatte tiefsinnigen Geistes und frommen Herzens kühne 
Blicke in die Geheimnisse der Natur gethan, das Eine Göttliche in der¬ 
selben erkannt und seine Anschauungen und Erkenntnisse in einfachen aber 
großartigen Grundsätzen zusammengefaßt; er sah durch alle Kämpfe der 
widerstrebenden sinnlichen Erscheinungen den hohen und ewigen Gottesfrie¬ 
den leuchten, und vernahm in dem wüsten Gebrause tausend verschiedener 
Töne den hohen göttlichen Einklang. Wieder ein Mann aus dem Volk, 
und zwar aus dem deiltschen Volk! Und es erhoben sich sofort: Rene 
des Cartes, ein Franzose von Geburt (geboren 1596, gestorben 1650), 
und Baruch Spinoza, ein Jude arls Amsterdam (geboren 1632, gestor¬ 
ben 1677), und drangen auf verschiedenen Wegen auf die Erforschung und 
Erledigung der höchsten Angelegenheiten des Menschengeschlechts, indem sie 
die Vernunft als die erste Quelle und höchste Richterin, als Anfang und 
Ende annahmen. Eben dadurch aber war nun der veralteten römischen 
Hierarchie der letzte Pfeiler weggerissen, war der Freiheit für immer ein 
Weg gebahnt, war den Nachkommen ein neues Feld der Thätigkeit eröffnet. 
Der deutsche Geist begann bald auf diesem Felde Umwälzungen hervorzu¬ 
bringen und Eroberungen zu machen, wichtiger als jene, welche durch Waf¬ 
fengewalt und Glaubenseifer hervorgebracht worden sind. Der deutsche 
Geist war berufen, mit dem flammenden Schwert der Philosophie, über 
die letzten Trümmer der alten und vermorschten Einrichtungen des Mittel¬ 
alters, so wie der neueren Politik und höfischen Despotie hinweg, der gan¬ 
zen Menschheit herrlich voranzuschreiten. Und dieser deutsche Geist, der 
wie feurige Zungen auch über dem mächtigen Frankreich schwebte, war der 
Geist einer neuen Zeit.
	        
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