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Sechstes Buch. Fünfter Abschnitt.
5.
Groß und glücklich zu machen sein Volk,
War Friedrichs erhabner Gedanke.
Merkbar war das Wehen seines Odems
In jeder großen That der Welt.
S ch u b a v t.
Einige Monate vor dem Abscheiden Kaiser Karls VI., nämlich am letz¬
ten Mai 1740, war König Friedrich Wilhelm I. voir Preußen gestorben,
und sein Sohn Friedrich (geboren zu Berlin am 24. Januar 1712) bestieg
nun als König Friedrich II. den Thron Preußens und nahm am 2. Au¬
gust 1740 die Huldigung an. Dieser junge Fürst besaß die glänzendsten
Eigenschaften des Geistes, Scharfblick, Lebhaftigkeit im Auffassen, Besonnen¬
heit und dazu durchgreifende Willenskraft, ferner eine feine philosophische
Bildung, große Kenntnisse in Staatsgeschäften uild Kriegskunst, ausgezeich¬
nete Feldherrntalente, und eine heiße Begierde nach dem doppelten Ruhm:
als Held und als Schriftsteller seinen Namen auf die Nachwelt zu bringen.
An die Spitze eines Königreiches von noch jungem Datum gestellt, wollte
er die Eristenz dieses Staates befestigen, dessen Umfang erweitern, ihm eine
dauernde Bedeutung in der Reihe der übrigen europäischen Mächte errin¬
gen. An der Spitze eines strengmonarchischen Staates, war er Selbstherr¬
scher im schönen Sinne dieses Wortes, und strebte alle jene Pflichten eines
Regenten zu erfüllen, ohne deren Ausübung eine monarchische Staatsver¬
fassung oft leicht zur despotischen wird. Gleich den Antritt seiner Regierung
bezeichnte er durch Humanität und Duldung. Er hob unter Anderm den
schändlichen Gebrauch der Folter bei Kriminaluntersuchungen auf, und sprach
seine Grundsätze über religiöse Duldung in folgenden goldenen Worten aus:
„In meinen Staaten kann jeder nach seiner eigenen Weise selig werden."
So außerordentlich von der Natur begabt und über seine Zeitgenossen hoch
hervorragend, blickte der junge König ungeduldig nach Gelegenheit zu ruhm¬
vollen Thaten umher, und sein Vater hatte ihm dazu einen großen Schatz,
sowie ein stattliches, wohlgeübtes Heer hinterlassen; schon trug Friedrich II.
kühne Pläne in der Seele verschlossen, als er die Nachricht bekam, daß
Kaiser Karl VI. gestorben sei.
Diesen günstigen Augenblick wollte nun Friedrich II. rasch benutzen, um
die alten, auf Erbverbrüderung begründeten Ansprüche des Hauses Branden¬
burg auf Schlesien, welche bis dahin unbeachtet geblieben waren, gegen
Oesterreich, welches sich im Besitze Schlesiens befand, mit bewaffneter Hand
geltend zu machen. Sein Feldherr, Graf Schwerin, schlug im Frühling
des folgenden Jahres (am 10. April 1741) die Oesterreicher unter dem
Feldmarschall Neipperg- bei Molwitz; Breslau ergab sich den Preußen,
fast ganz Schlesien wurde von diesen besetzt. Dies Waffenglück Friedrichs II.
ermuthigte die übrigen Mächte, welche, eifersüchtig auf Oesterreichs Ueber-
gewicht, der Tochter des Kaisers Karl VI., der jungen, schönen, geistreichen
und edlen Erzherzogin Maria Theresia, Erbkönigin von Ungarn, die
Nachfolge in den österreichischen Erblanden nicht gönnen wollten, daß sie
jede Rücksicht auf die sogenannte pragmatische Sanktion bei Seite setzten.
Baiern machte ältere Erbansprüche auf die Nachfolge in den österreichischen
Landen, mit Ausschluß Marien Theresiens; Frankreich, Spanien, Sachsen
unterstützten Baiern, und am 18. Mai 1741 beschlossen Frankreich, Spanien