Full text: Die Geschichte des deutschen Volkes

Der Krieg in Frankreich. 1814. — Wiener Kongreß. 
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Forderungen bildete das Schicksal Sachsens und seines Königs den Mit¬ 
telpunkt. Sachsen sollte an Preußen fallen und Rußland dafür Polen er¬ 
halten. Vergeblich waren die Einreden und Gründe des sächsischen Königs, 
welcher sich darauf berief, daß ja auch Baiern und Würtemberg, welche 
gleichfalls früher zum Rheinbunde gehört hatten, doch im Besitz ihrer Wür¬ 
den und Länder geblieben waren; seine Worte verhallten vor der Ueber- 
macht. Vergeblich verwandte sich Baiern für die Erhaltung Sachsens; ver¬ 
geblich sagte Talleyrand, der schlaue Unterhändler Frankreichs: „Wenn 
man den König von Sachsen verurtheilt, so ist in seiner Person die Person 
jedes Königs, so ist das göttliche Recht aller Herrscher, die Legi¬ 
timität, preisgegeben." Von der Zeit an kam dies fremde Wort „Legi¬ 
timität" in Deutschland auf, und wurde häufig von Wohldienern in der Art 
ausgelegt, als könne ein Machthaber alles, was er thut, kraft eines „gött¬ 
lichen" Rechtes thun, welches über alles menschliche erhaben sei; — Gott 
erhalt' uns und den Fürsten nur das „menschliche" Recht, denn sonst 
hätte ja ein Mensch (und also auch ein Fürst) gar kein Recht mehr und 
es stünde schlimm um Treu' und Glauben auf Erden! Leider ahnten die 
Machthaber das eitle Spiel nicht, das mit jenem Worte getrieben wurde 
und noch künftig getrieben werden sollte, sie hielten es für einen Zauber, 
welcher sie vor dem Volk schützen könne. Ueberhaupt begann man sich 
schon so bald, da kaum das Vertrauen und die Kraft des Volkes 
Deutschland und die Machthaber gerettet hatten, eben vor dem Volk zu 
fürchten, grade als ob dies ein geborner Feind der Regierungen sein müsse. 
Nein, das ist es nicht, und war's nie; und wahr ist, was ein edler Dichter, 
der noch lebt, Ludwig Uhland, so schön sagt: 
„Der Deutsche ehrt in allen Zeiten 
Der Fürsten heiligen Beruf, 
Doch liebt er frei einherzuschreiten 
Und aufrecht, wie ihn Gott erschuf." 
Wenn das Volk auch tief seine ursprünglichen Rechte fühlt, so achtet es doch 
wieder eben so sehr die seiner Fürsten; und nur in dieser wechselseitigen 
Achtung liegt die Gewährleistung aller Ruhe und bürgerlichen Ordnung, 
liegt die Liebe des Volkes zu den Fürsten begründet; alle wahre Liebe über¬ 
haupt entspringt einzig aus Achtung und kann nur so lang währen als 
diese. Das ist die Wirkung des großen Sittengesetzes, welches Maß auf¬ 
legt nicht nur den Schwachen, sondern auch den Gewaltigen. 
Während nun die Machthaber damals auf dem Wiener Kongreß unter 
sich stritten, so daß darüber in allen deutschen Landen leider gar viel Zwie¬ 
tracht und Mißtrauen erwuchsen, erfuhren sie plötzlich folgende Kunde, welche 
sie alle sehr erschreckte: „Napoleon hat die Insel Elba verlassen und 
ist (am 1. März 1815) nach Frankreich zurückgekehrt." Und so war's 
auch. Alle Soldaten schlossen sich dort schnell an den Mann des Ruhms 
an; die bourbonische Königssamilie entfloh vor ihm in großer Angst, und 
wie im Triumph zog Napoleon rasch in Paris ein. Da erneuerten Oester¬ 
reich, Preußen, Rußland und England ungesäumt ihren Bund gegen den 
gemeinsamen Feind; auch das deutsche Volk vergaß jetzt jeden Zwiespalt 
der Meinungen und erglühte aufs Neue von tiefem Haß gegen jenen außer¬ 
ordentlichen Mann, von dessen gewaltiger Kraft es eine neue Unterdrückung 
des Vaterlandes befürchtete. Und abermals ziehen die Heere der Verbün¬ 
deten über den Rhein. Im Süden rückt Schwarzenberg heran, in den Nie¬ 
derlanden eilen der alte Marschall Vorwärts und der Feldherr des engli¬
	        
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