638 Europa.. 
wohner als Inseln im Völkergemenge Italiens, Slowenen und Bayern. 
Es sind die Riffe und Wände der karnisch-jnlischen Alpen. 
Hier wird jeder rasten und seine Augen sich den Lohn holen 
lassen für das, was die Füße bis hierher verdient haben. Darüber 
bleibe aber nicht unerwähnt, welche Pracht schon lange oorher den- 
jenigen entzückt hat, der sich zeitweilig rückwärts wendete. Groß und blau 
sind Wörther- und Ossiacher See, und nur um ein kleines niedriger 
duften die Berge von Spital und Rotentnrm herein, um den Einblick 
in das schöne Becken des Millstätter Sees zu gewähren. Auch in den 
runden Faaker See, den Stolz der Villacher, sieht man hinein. 
Wenn man alsdann an der grauen Berglehne ans gut gebahnter 
Straße schräg gegen Westen aufwärts steigt, so kommen mehr nnd 
mehr die Hohen Tauern zur Schau. Von diesen darf ich nicht viel 
sagen, weil es meine Schwäche ist, sie das herrlichste aller Gebirge zu 
nennen und mir ihre Zauber in Eis, Wasser und Märchen stets gegen- 
wärtig zu halten. Allgemach setzt sich die ganze Landschaft zusammen. 
Von den Brunecker oder Antholzer Bergen bis in die ferne Steiermark 
und weit hinein nach Venetien, Krain und Küstenland dringt der Blick. 
Schön ist diese Unendlichkeit bei klarer Luft, milder ist sie, wenn alle 
Thaler von Wolken und Nebeln wie von den Gletschern zur Eiszeit 
bedeckt sind und nur die vielfachen Reihen und Wälle der Alpen wie 
Riffe hervorragen. 
Hart unter der Spitze ist ein Hotel. 
Auf dem Gipfel hat man den herrlichsten Blick nach Süden von 
der slowenischen Wallfahrtskirche aus. 
Das ist eine Welt, wie sie sich kein Malergehirn ausdenkt — hoch 
über allen ihren Säulen und Türmen glänzt Triglav, die Verkörperung 
des dreiköpfigen Wendengottes, der verehrt wurde von den Feigengärten 
des Jsonzo bis zu den Sanddünen des obotritischen Meeres. Die 
Stunden, die der Mensch an solchem Ort zubringt, ragen ihm später aus 
der ungezählten Menge gleichgültiger oder mühevoller Zeitläufte heraus, 
wie der silberne Triglav aus Gewölk und Tiefen. 
Man hat den Drobatsch oft zum „Rigi der Ostalpen" gemacht, da- 
mit wird seine Schönheit nur. zum Teil versinnbildlicht. Denn wenn 
auch die Verteilung von Land und Wasser, die in der Rundschau von 
jener Schweizer Warte sich bedeutungsvoll kennzeichnet, ebenso ergreifend 
wirkt, wie hier, hoch obeu über den großen Seeen des Kärntner Landes, 
fo übertrifft die Ausgedehntheit und Mannigfaltigkeit der verschiedenen 
Alpenzüge, die auf dem Dobratsch überschaut werden, nicht nur den 
schweizerischen, sondern überhaupt jedeu anderen „Rigi" der ganzen Welt.