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Die zweite Hälfte des JahreS 1813.
Mann vortrefflicher Truppen, und mit diesen sollte er die Hauptstadt
wegnehmen. Der kühne Ney ging frisch an's Werk. Den Kron¬
prinzen von Schweden tauschte er wirklich durch schlau angestellte
Marsche, und so traf er am 6. September bei Dennewitz nur auf
2 preußische. Heerhaufen unter Bülow und Tauenzien. Es waren
ihrer 40,000 Mann, aber sie hielten ritterlich den Kampf aus. Wenn
sie von der Uebermacht zurückgedrangt wurden, so warfen sie sich mit
solcher Wuth wieder auf die Feinde, daß diese ihre Vortheile preis
gaben. Man stritt um jeden Fuß breit Land, doch vermochten die
Franzosen Nichts zu gewinnen, sondern tobten vergebens gegen die
kleine preußische Schaar. Die französischen Heerführer ergrimmten und
wagten das Aeußerste. Ney wäre fast in die Gefangenschaft gerathen,
mehrere Generale ritten in das stärkste Kanonenfeuer. Aber mehr
und mehr wichen die französischen Schaaren, ein Dorf ging nach dem
andern für sie verloren. Desto höher stieg die Begeisterung der Preu¬
ßen. Und obschon ihrer ein Drittheil todt und verwundet auf dem
Platze lag, so drangen sie unerschrocken vorwärts und trieben die
Feinde vor sich her. Endlich, als der Tag sich neigte, rückte die
schwedische Armee heran. Im Glanze der Abendröthe zog sie mit
fliegenden Fahnen und klingendem Spiele daher. Das war für die
Franzosen das Zeichen zur völligen Flucht. Sie verloren an 20,000
Mann, 80 Kanonen und viele Wagen. In den Flüchtlingen war
kein Halten. Viele liefen über den Harz, einige durch Franken der
Heimath zu. Die meisten eilten nach Leipzig und hielten dort im er¬
bärmlichsten Zustande, mit verbundenen Köpfen demüthig auf Kühen
reitend, ihren Einzug. Ney aber schrieb an den französischen Kom¬
mandanten von Wittenberg: „Ich bin nicht mehr Herr der Armee,
sie versagt mir den Gehorsam und hat sich in sich selbst aufgelös't."
Das war die berühmte' S ch lacht bei Dennewitz, ganz allein
durch Preußen geschlagen. Unser edler König legte aber späterhin dem
Generale Bülow den Ehrennamen Bülow von Dennewitz bei, so wie
der General Kleist die Ehrenbenennung Kleist von Nollendorf erhielt.
- Der Monat September verging, ohne daß man etwas Bedeu¬
tendes gegen einander vorgenommen hatte. Nur kleine Gefechte sielen
überall vor, in welchen die Franzosen gewöhnlich den Kurzem zogen.
Napoleon wollte darüber vor Wuth verzweifeln; wie ein Toller rannte
er bald auf die Straße nach Böhmen gegen Schwarzenberg, bald auf
die Straße nach Schlesien gegen Blücher. Aber immer wichen diese
seinem Schlage aus und ließen ihn unverrichteter Sache abziehen.
So mattete denn der furchtbare Kriegsmann seine Schaaren vergebens
ab und erreichte doch den Zweck nicht, den er beabsichtigte, die Feinde
zu einer großen Schlacht zu zwingen. Endlich brach Blücher los, um
dem Dinge eine andere Wendung zu geben. In der Nacht vom 2.
auf den 3. Oktober ließ er zwei Brücken über die Elbe schlagen und
seine Armee in aller Stille auf das andere Elbufer gehen. Plötzlich
stieß er bei Warten bürg auf das 20,000 Mann starke Heer des