Full text: Lehrbuch der Geschichte vom katholischen Standpunkte aus

52 IV. Zeitraum. Die Völkerwanderung und d i e II i» g estaltuu g rc. 
Was die Gerichtsverfassung anlangt, so treten erst nach dem 4. Jahr¬ 
hunderte geschriebene Gesetze bei den deutschen Völkerschaften auf, die 
aber fast nur Strafbestimmungen waren. Als Beweise galten Zeugen, 
Eid und Gottesurtheile (Ordalien). Diese letzteren bestanden bei den 
Freien meistens im Zweikampf, bei den Unfreien in der Feuerprobe 
(eine Hand ins Feuer halten-, glühendes Eisen in die Hand nehmen; 
durch einen brennenden Holzstoß gehen), in der Wasserprobe (bald mit 
siedendem, bald mit kaltem Wasser) und in der Kreuzprobe (unbewegliches 
Stehen mit aufgehobenen Händen an einem Kreuze). 
Charakterbilder. 
1. Die großen Kirchenlehrer. 
Kaum hatten die Christenverfolgungen durch die Heiden ein Ende 
genommen und das Christenthum von außen Ruhe gewonnen, so brachen 
im Innern der Kirche heftige Streitigkeiten aus. Solche Streitigkeiten 
verwirrten schon zu Zeiten der Apostel viele unbefestigte Gemüther. Wur¬ 
den sie über die Glaubenslehre erhoben und endeten sie mit der Ab¬ 
leugnung der überlieferten Wahrheit, so wurden sie Häresien oder Ketze¬ 
reien genannt; bezogen sie sich aber aus kirchliche Einrichtungen, z. B. 
aus die Feier des Osterfestes, auf das Fastengebol rc., so hießen sie 
Spaltungen. Für ihre Irrthümer suchten die falschen Lehrer auch An¬ 
dere zu gewinnen und sich durch großen Anhang Ruhm und Ehre zu 
verschaffen. So entstanden sehr viele Seelen, die aber im Laufe der 
Zeit wieder untergingen, während die katholische Kirche, als die allein 
wahre, sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat und sich nach der 
Versicherung Jesu auch erhalten wird bis ans Ende der Zeiten. 
Solcher Secten waren schon in den ersten vier Jahrhunderten nach 
und nach bis über siebzig entstanden; alle meinten ausschließlich die Wahr¬ 
heit zu besitzen und verdammten die Andersdenkenden. Da sie sich fast 
alle auf die heilige Schrift beriefen, so zeigte es sich schon damals recht 
deutlich, daß die Bibel sich nicht selbst erklären könne, daß dazu das von 
Christus eingesetzte Lehramt, die Gesammtheit der Bischöfe und Priester, 
gehöre, welche die geoffenbarte Wahrheit unter dem Beistände des hei¬ 
ligen Geistes so rein und unverfälscht erhielten, wie sie dieselbe von den 
Vorfahren überkommen hatten. 
Die namhaftesten Secten sind: die Gnostiker oder Aufgeklärten, die 
Arianer, Nestorianer rc. Ihre Irrthümer entstanden dadurch, daß sie sich 
von der Erscheinungswelt abwendeten und in phantastische Grübeleien 
geriethen. Alle diese Secten wurden, wenn sie es nicht selbst thaten, 
von der katholischen Kirche ausgeschlossen, nach dem ausdrücklichen Be¬ 
fehle des heiligen Paulus: Wer euch ein anderes Evangelium vorträgt, 
als ihr empfangen habt, der sei aus der Gemeinde verbannt. Wegen 
dieser Ausschließung und wegen des Widerstandes, den sie erfuhren, ge¬ 
riethen dann die Secten in den heftigsten Zorn, suchten sich durch Ge¬ 
waltstreiche zu behaupten und verfolgten, wenn sie die Macht dazu hatten, 
die Katholiken auf das grausamste. Die Kirche setzte ihnen, um sie zu
	        
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