Full text: Geschichte des teutschen Volkes

Heinrich'» 4. Minderjährigkeit. Seine verdrießliche Stellung. 153 
der ihre Tugend und Treue, noch ihre Reize konnten ihn fes¬ 
seln, daß er mit ihr zufrieden gewesen wäre. 
Unterdeß lebte er als König für und für wie ein Unmün¬ 
diger im Reiche, that, was er nicht hindern konnte, und ent¬ 
schädigte sich in zügellosen Ausschweifungen. In dem teutschen 
Lande konnte die Wildheit und Fehdelust keine Grenzen, keine 
Sättigung finden, und die Mächtigeren konnten der eitlen 
Mahnung keinen Nachdruck geben oder raubten selbst mit. Von 
Außen her kam vielfach ebenfalls keine Freude; die slavischen 
Obotriten hatten die Fahne des Aufruhrs aufgesteckt, hatten 
Frevel geübt an dem christlichen Heiligthume, die Priester er¬ 
würgt oder verjagt, die Gotteshäuser niedergerissen und waren 
gewissermaßen dem' Heidenthume vollends wieder anheim ge¬ 
fallen. Das sächsische Land hatte dabei viel zu leiden und 
dennoch mußte man den Frevel lange Zeit ungestraft lassen. 
Den König beschäftigte Solches für den Augenblick viel 
weniger, als die Sorge, wie er die Trennung von seiner Ge¬ 
mahlin zu Wege bringen möchte. Er wendete sich deshalb 
zunächst an den Erzbischof Siegfried von Mainz, dem er zur 
Erwerbung des Zehntens von den thüringischen Vasallen hülf« 
reiche Hand versprach, und der Erzbischof war feil genug, 
Heinrichs desfallsi'gen Antrag auf einem Reichstage zu Worms 
(I. 1069) zu unterstützen, ohne jedoch eine Entscheidung zu 
bewirken. Nachmals kam ein unerwarteter Vorfall dazwischen. 
Der Markgraf Dedi von der Lausitz empörte sich gegen den 
König und als dieser mit Heeresmacht heranzog, droheten die 
Thüringer, sich mit jenem zu verbinden, falls ihnen der Zehn¬ 
ten abgezwungen werden sollte. Heinrich sah für den Augen- 
blick deren Freundschaft viel gewichtiger an, als jene Willfäh¬ 
rigkeit gegen Siegfried. Darauf wurde Dedi leicht überwunden 
und bestraft. Der habsüchtige Erzbischof aber konnte mit Hein¬ 
rich nicht sehr zufrieden seyn; indeß hatte er einstweilen keine 
Gelegenheit, seinen Uumuth zu zeigen; denn zu einem Reichs¬ 
tage in Mainz traf ein päpstlicher Legat ein, der den König 
von der Verstoßung seiner Gemahlin zurückbrachte und dem 
Erzbischöfe wegen dieser Sache die verdienten Verweise gab. 
Heinrich nahm Bertha wieder zu sich und lebte mit ihr, wenn 
nicht in einem liebevollen, so doch anständigen Verhältnisse. 
Allmählig begann Heinrich, nunmehr 20 Jahre alt, mit 
mehr Selbstständigkeit aufzutreten. Erhalte sich einen Begriff 
von seiner Bedeutung gebildet und suchte die Mittel, sich in 
derselben zu zeigen; aber die nächste That für die Ehre des 
Thrones war eine traurige Nothwehr, die jedoch, weil sie glück¬ 
lich ausging, in dem Herzen des Königs große Zuversicht und 
Trotz gebar, gleichwie sie von der anderen Seite größere Be¬ 
wegungen ins Daseyn rief. Otto, der Herzog von Baiern,
	        
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