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Vierter Zeitraum.
und nach dem weltlichen Einflüsse gänzlich entzogen, wenn
freilich einzelne Störungen auch jetzt noch manchmal geradeldas-
Gegentheil bewiesen. Seitdem kam aber die Geistlichkeit über¬
haupt in eine unabhängigere Stellung. Eine der vorzüglichsten
Erwerbungen war die, daß gegenwärtig die rein geistlichen An¬
gelegenheiten nicht mehr vor die weltliche, sondern ausschließlich
vor die geistliche Gerichtsbarkeit gehörten. Freilich erweckte
auch hier der päpstliche Einfluß da und dort wieder manche
Unzufriedenheit, Zank und Hader, wobei allerdings nicht selten
das größere Recht auf der Seite der Bischöfe war, indem die
römischen Legaten zu oft Mißbrauch von ihren Aufträgen mach¬
ten und persönliche Bestrebungen mit unterlaufen ließen. Oft
lag die Störung auch darin, daß die Päpste selbst mit ihren
Eingriffen in der That zu weit gingen, wie Solches namentlich
bei Verleihung der geistlichen Pfründen nicht selten der Fall
war, indem manchmal ohne gehörige Rücksicht auf die Wünsche
der Orts- und Diöcefan-Geistlichkeir darüber verfügt, mitunter
z. B. gar ein Fremder, dem die Kenntniß der Landessprache
abging, eingesetzt wurde. Allein in so vielen andern Rücksich¬
ten kann eine solche Beaufsichtigung jedoch nicht anders, als
sehr wohlthätig und nützlich erscheinen.
Bei dieser Gelegenheit muß auch der Titular- oder Weih¬
bischöfe gedacht werden. Ursprünglich hatte die Entstehung
dieser neuen kirchlichen Würde in den Verhältnissen des Mor¬
genlandes ihren Grund. Dort waren in glücklicheren Zeiten
Bischöfe angestellt, welche nachmals von den Ungläubigen wie¬
der vertrieben wurden. Diese mußten, wie billig, von der
Kirche anderweitig versorgt werden. Man schickte sie deshalb
den Bischöfen anderer Länder als Stellvertreter zu, und indem
sie von diesen aus Bequemlichkeit oder Eitelkeit gewöhnlich
gern angenommen wurden, vervielfältigte sich der Gebrauch,
und auch wenn sie starben, wurden ihnen Nachfolger gesetzt,
zum Theile aus dem Grunde, weil man noch immer auf die
Wiedereroberung des heiligen Landes hoffte und sie demgemäß
von irgend einem dortigen Bereiche titulirte, weshalb sie auch
Bischöfe in partibus infidelium d. h. für Landestheile der Un¬
gläubigen genannt wurden. Der erste Weihbischof war bei
dem Erzbischöfe Poppo von Trier (I. 1036).
Ein großer Nachtheil, der bei der Herrschaft der Päpste
durch eine üble Berechnung herauskam, waren die Exemtionen.
Durch dieselben wurden nämlich viele Geistliche, ja ganze Klöster
und Stifter von der bischöflichen Gerichtsbarkeit befreit und
geradezu unter den Papst gestellt. Diese erlaubten sich dann
vielerlei Willkührlichkeiten und Sünden, für welche sie unge¬
straft blieben, weil bis zu der päpstlichen Gerichtsstätte immer¬
hin ein langer Weg war. Das trug zu dem allgemeinen Ver-