Full text: Geschichte des teutschen Volkes

234 
Vierter Zeitraum. 
und nach dem weltlichen Einflüsse gänzlich entzogen, wenn 
freilich einzelne Störungen auch jetzt noch manchmal geradeldas- 
Gegentheil bewiesen. Seitdem kam aber die Geistlichkeit über¬ 
haupt in eine unabhängigere Stellung. Eine der vorzüglichsten 
Erwerbungen war die, daß gegenwärtig die rein geistlichen An¬ 
gelegenheiten nicht mehr vor die weltliche, sondern ausschließlich 
vor die geistliche Gerichtsbarkeit gehörten. Freilich erweckte 
auch hier der päpstliche Einfluß da und dort wieder manche 
Unzufriedenheit, Zank und Hader, wobei allerdings nicht selten 
das größere Recht auf der Seite der Bischöfe war, indem die 
römischen Legaten zu oft Mißbrauch von ihren Aufträgen mach¬ 
ten und persönliche Bestrebungen mit unterlaufen ließen. Oft 
lag die Störung auch darin, daß die Päpste selbst mit ihren 
Eingriffen in der That zu weit gingen, wie Solches namentlich 
bei Verleihung der geistlichen Pfründen nicht selten der Fall 
war, indem manchmal ohne gehörige Rücksicht auf die Wünsche 
der Orts- und Diöcefan-Geistlichkeir darüber verfügt, mitunter 
z. B. gar ein Fremder, dem die Kenntniß der Landessprache 
abging, eingesetzt wurde. Allein in so vielen andern Rücksich¬ 
ten kann eine solche Beaufsichtigung jedoch nicht anders, als 
sehr wohlthätig und nützlich erscheinen. 
Bei dieser Gelegenheit muß auch der Titular- oder Weih¬ 
bischöfe gedacht werden. Ursprünglich hatte die Entstehung 
dieser neuen kirchlichen Würde in den Verhältnissen des Mor¬ 
genlandes ihren Grund. Dort waren in glücklicheren Zeiten 
Bischöfe angestellt, welche nachmals von den Ungläubigen wie¬ 
der vertrieben wurden. Diese mußten, wie billig, von der 
Kirche anderweitig versorgt werden. Man schickte sie deshalb 
den Bischöfen anderer Länder als Stellvertreter zu, und indem 
sie von diesen aus Bequemlichkeit oder Eitelkeit gewöhnlich 
gern angenommen wurden, vervielfältigte sich der Gebrauch, 
und auch wenn sie starben, wurden ihnen Nachfolger gesetzt, 
zum Theile aus dem Grunde, weil man noch immer auf die 
Wiedereroberung des heiligen Landes hoffte und sie demgemäß 
von irgend einem dortigen Bereiche titulirte, weshalb sie auch 
Bischöfe in partibus infidelium d. h. für Landestheile der Un¬ 
gläubigen genannt wurden. Der erste Weihbischof war bei 
dem Erzbischöfe Poppo von Trier (I. 1036). 
Ein großer Nachtheil, der bei der Herrschaft der Päpste 
durch eine üble Berechnung herauskam, waren die Exemtionen. 
Durch dieselben wurden nämlich viele Geistliche, ja ganze Klöster 
und Stifter von der bischöflichen Gerichtsbarkeit befreit und 
geradezu unter den Papst gestellt. Diese erlaubten sich dann 
vielerlei Willkührlichkeiten und Sünden, für welche sie unge¬ 
straft blieben, weil bis zu der päpstlichen Gerichtsstätte immer¬ 
hin ein langer Weg war. Das trug zu dem allgemeinen Ver-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.