Die Gethcn gegen die Römer.
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des Kaisers über die Donau. Valens sing an, um die Zukunft
besorgt zu werden; denn übermäßig groß war jetzt die Zahl
der fremden Gaste und schwieriger die Stimmung des ther-
vingischen Volkes^ Doch gehorchte dieses dem Gebote, weiter
ins Innere Thraciens zu wandern; aber auf dem Zuge wurde
der unter der Asche glimmende Funke wie mit Einem Schlage
zur lichten Flamme entzündet. In Marcianopel wurden ihre
Führer, Fridigcrn und Alaviv- von Lupicin zu Gaste gebeten
und nur wenige ihrer Getreuen geleiteten sie in die Stadt.
Unterdeß entspann sich an den Thoren zwischen Gothen und
Römern ein Kampf um den Eintritt ln die Stadt. Lupicin,
halb im Rausche, ließ auf diese Nachricht sofort das Gefolge
der Fürsten überfallen. Schon waren mehre hingewürgt, al-s
Fridigern und Alaviv- von dem Unschlüssigen Lupicin nicht ge¬
hindert, mit dem Schwerte in der Hand zu den Ihrigen flo¬
gen und mit dem Reste derselben glücklich aus der Stadt
entkamen. Ein wildes Kriegsgeschrei war ihr Empfang im
Lager. Also führten sie die empörten Gothen zum Kampfe.
Schreckliche Verwüstung bezeichnete ihre Tritte von dem Augen¬
blicke an. Brennende Dörfer und Städte wälzten fürchterliche
Glutwolken zum Himmel empor und bald konnte man von
Constantinopels Mauern das nahende Unheil gewahren. Lupicin
leistete keinen Widerstand mehr. Er war nicht weit von Mar«
cianopel in einer mörderischen Schlacht aus dem Felde ge«
schlagen.
Valens erhielt in Antiochia von diesen Vorgängen Nach«
richt. Schleunig endete er hier den Krieg mit den Persern und
eilte mit seinem Heere zurück. Zugleich entbot er den abend«
ländischen Kaiser Gratian zu seiner Hülfe. Dieser gab auch
sofort Befehl zum Aufbruche; aber die Lentienser, ein alleman,
nisches Volk, hatten die Alpen besetzt und sielen in Gallien ein,
vielleicht um Valens dieser Hülfe zu berauben. Sie wurden
aber bald zurückgejagt und hätten demnach von ihrer Anstren¬
gung keinen Erfolg gesehen, wenn nicht gerade hiedurch der
Kaiser Valens aus Eifersucht gegen den siegreichen Neffen, und
von Schmeichlern bethört, auf den eitlen Gedanken gekommen
wäre, die zu sammelnden Lorbeeren mit Gratian nicht zu theilen.
Also rückte er bei Adrianopel den Gothen entgegen, und so groß
war seine Zuversicht, daß er ein wiederholtes friedliches Aner¬
bieten zwar nicht verwarf, doch aber durch kaltsinnige Berathung
unnütz machte ì denn ein Zufall oder vielmehr der übereilte
Eifer einer römischen Abtheilung gab inzwischen Anlaß zu
Feindseligkeiten, und die Gothen, dieses für treulose That an¬
sehend, stürzten sofort mit ihrer ganzen Macht auf den Feind.
Die verhängnißvolle Schlacht brachte den Römern das Verder¬
ben. Aller Widerstand war bald vergeblich. Nach allen Sei¬