Dir Majordomcn. Pippin. Karl Martel.
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die Bessergesinnten von ihm abwendeten, und Pippin, dessen
Weisheit ihm gleichfalls lästig geworden, mit seinen Rath«
schlagen taube Obren fand. Inzwischen starb Charibert, und
Dagobert wurde dadurch alleiniger König der Franken. Aber
auch er sah sich bald durch die Umstände genöthigt, nach dem
Beispiele seines Vaters zu verfahren und seinen Sohn Sigi«
bert zum Könige von Austrasien zu bestellen (I. 632). Da
dieser indeß erst drei Jahre alt war, führten der Bischof Ehu-
nibert von Köln und der Herzog Adalgisil die Regierung,
während Pippin Majordomus beider Höfe war. Darauf starb
Dagobert (I. 638) und hatte Chlodwig, den Sohn Chariberts,
zum Nachfolger.
So ist die Geschichte des fränkischen Reiches gegenwärtig
fast nur ein steter Herrenwechsel, wahrend das Mißverhältnis
zwischen der Königswürde und den Großen immer auffallender
hervortrat. Die Regenten sanken in Schwache und Unbedeu¬
tendheit hinab, und die mächtigen Vasallen überflügelten deren
Willen und selbstständige Waltung. Vorzüglich waren es die
Majordomen, welche die Gelenke der Regierung wurden und
das merovingische Geschlecht in den Staub sinken ließen. Fortan
ist meistens nur von ihnen die Rede, wahrend mit den Köni¬
gen ein leichtes Spiel getrieben ward, wie mit Schwächlingen
oder Kindern, da sie drei Menschenalter hindurch im Grunde
auch nicht viel mehr waren. Darum gewährt die Geschichte
der folgenden Zeit wenig Erfreuliches, bis aus den Trümmern
der erloschenen Größe ein neues Königsgeschlecht aufstieg, mit
dem das Leben wieder einen kräftigeren Aufschwung gewann.
Das eigentliche Teutschland hob sich in dieser allgemeinen
Erschlaffung gleichfalls aus der Dunkelheit nicht hervor. Aber
daß der Teutschen Kraft und Hochgefühl inzwischen nicht ver¬
kümmerte, zeigte im Anfänge der Regierung des letzten Sigi-
bert ein Herzog von Thüringen, Radulf, der nicht geringer
als seine Nachbarn, die Baiern, kein Vasall, sondern ein freier
Genosse des fränkischen Reiches seyn wollte. Der Krieg aber,
den die Franken gegen ihn begannen, wurde ohne rege That-
kraft von Seiten der letzteren geführt, und gewährte ihnen
mit all' dem vergossenen Blute am Ende doch keinen anderen
Vortheil, als den Radulf selbst freiwillig zugestand,, d. h. den
Schein fortbestehender Oberhoheit, während die Thüringer fortan
in der Wirklichkeit eine unabhängige, obwohl befreundete, Macht
bildeten.
Nach der Zeit währten die Wirren im Reiche unaufhalt¬
sam fort. Die Majordomen besetzten den Thron meistens nach
Gutdünken und Gefallen mit diesem oder jenem merovingischen
Kinde. Die Ehre des Thrones wurde damit unausbleiblich
herabgewürdigt und an den Königsrechten stufenweise geschmälert