Wilhelm Teil. — Die Päbste in Avignon. 293
entblößen. Wilhelm Teil ging vor dem Hute vorüber, entblößte
aber sein Haupt nickt. Geßler ließ ihn gefangen setzen, und verur-
theilte ihn zum Tode. Jedoch als viele für ihn um Gnade baten, er¬
ließ er ihm die Strafe, unter der Bedingung, daß er von dem Kopfe
seines Söhnchens einen Apfel schießen solle.
Tell schauderte anfangs, doch im Vertrauen auf Gott entschloß er
sich zu dem Wagstück. Auf dem Markte zu Altorf schloß er seinen
Knaben ans Herz, ermahnte ihn, fest zu stehen, nicht zu zittern, und
trat dann zuruck. Dem Knaben wurde der Apfel auf den Kopf ge¬
legt. Tell nahm den angewiesenen Platz ein, betete, legte seinen Bo¬
gen an, und glücklich flog der Apfel dem Kinde vom Kopfe. Das
Volk jubelte, Tell sank Gott dankend auf die Knie, nur Geßler freu-
ete sich nicht, und fragte Tell, warum er noch einen zweiten Pfeil im
Köcher hätte. «Der sollte für dick seyn, — sagte Tell — wenn der
erste Pfeil mein Kind getroffen hatte.» Da ließ Geßler Tell gleich
wieder binden und in ein Schiff werfen, um ihn jenseits des Wald-
siädtersees in einen Thurm zu sperren. Ein graulicher Sturm auf
dem See veranlaßte Geßler, Tell's Bande zu lösen, weil nur er, ein
Schiffer ohne Gleichen, das Sckiff ans Land bringen konnte. Er
that es auch, aber als er noch einen Steinwurf weit vom Ufer war,
sprang er über Bord, und kam glücklich ans Land, ehe Geßler ihn
einholen konnte. Er kam nach Küßnacht, und erschoß den ihn ver¬
folgenden Geßler in einem Hohlwege. Teils Kapelle bezeichnet
die Stelle. e
Am nächsten Neujahrstage 1308 wurde Landenberg ohne Blut¬
vergießen aus dem Lande vertrieben, und so die Schweiz völlig be¬
freiet. Zwar brach Kaiser Albrecht mit großer Heeresmacht in die
Schweiz ein, aber bei Bruck, nahe beim Schlosse Habsburg, wurde
er von Joann v. 'Schwaben, seinem Bruderssohne, dem er seine
Erbgüter vorenthalten hatte, ermordet. Die Schweiz blieb frei bis
auf den heutigen Tag. — Wilhelm Tell soll 1350 im Schächersee
ertrunken seyn.
§. 72.
Die Päbste in Avignon.
Als Rudolph von Habsburg den Kaiserthron bestieg, regierte in
Frankreich bald nach ihm Philipp IV., der Schöne, Ludwig's
des Heiligen Enkel, ein consequenter Bösewicht. Alle Mittel waren
ihm recht, seine Vasallen zu unterdrücken. Den König Eduard von
England forderte er vor ein Gericht der Pairs als seinen Vasallen,
weil seine Matrosen französische Schiffe beleidigt hatten. Pabst Bo-
nifacius VIII. wollte beide Monarchen aussohnen, aber Philipp ließ
des Pabstes Bullen öffentlich als Ketzereien verbrennen, und Wil¬
helm v. No garet, Philipps erster Minister, nahm sogar den Pabst
zu Anagny gefangen. Zwar befreieten ihn die Bürger der Stadt,
aber solcher Schimpf war doch noch keinem Päbste des Mittelalters
geworden. Bonifacius VIII. starb auch bald darauf vor Gram. Er