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theidignng nicht herauszugehen, bis Blücher komme. Die Franzosen fochten
mit andringender Wnth, die Engländer mit ausdauernder Standhaftigkeit.
Sturm auf Sturm ward abgeschlagen; mit Staunen und Verwunderung sah
Napoleon die heldenmüthige Vertheidigung an. Der Tag ging seinem Ende
zu, und immer wüthender wurde das Anstürmen der Feinde. 3Xuf beiden
Seiten waren die Kräfte fast erschöpft; doch hatte Napoleon noch immer den
Vortheil auf seiner Seite. Er führte unaufhörlich neue Kräfte herbei, fein
Geschütz wirkte furchtbar, und feine Truppen rückten wuthentbrannt zu neuen
Angriffen vor. Wellington blieb mitten im Schlachtgewühl ruhig unter feinem
Baume, von wo aus er den Kampf leitete. Als aber die Gefahr von Minute
zu Minute wuchs, sprach er: „Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen
kämen!" Eben schickte Napoleon sich an, den letzten entscheidenden Schlag
auf das Centrum der Engländer zu wagen, als sich in der Entfernung von
einigen Stunden ein dunkler Streifen zeigte. Man erkannte bald, daß es
Truppen waren. Napoleon hielt die Ankommenden für das Corps von Gruchy,
das von den Verfolgungen der Preußen zurückgekehrt fei. Doch wie hatte er
sich getäuscht! Blücher kam mit seiner Hilfe. Schlechte Wege hatten sein
früheres Erscheinen verhindert.
Nun entwickelte sich ein ganz neues Schlachtenbild. Napoleon mußte
seine Kräfte theilen. Er hoffte noch Rettung von den zwölf Bataillonen der
alten Garde, die er zum Sturm auf Wellington's Mitte der Schlachtordnung
schickte. Doch Alles war vergeblich. Auf allen Punkten war die Niederlage
des französischen Heeres vollendet. Mit starren Blicken schaute der geschlagene
Kaiser in den Greuel der Verwüstung hinein. Er hielt im letzten Viereck
feiner Garden, als die Verbündeten bereits den Sieg an sich gerissen hatten.
Der Tod, den er verzweiflungsvoll suchte, mied ihn.
Es war schon völlig dunkel geworden, als Blücher und Wellington auf
der Höhe von Belle-Alliance zusammentrafen und sich gegenseitig als
Sieger begrüßten. Belle-Alliance heißt „der schöne Bund", und diesen