Preußen: Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst rc. 225
wieder herausgeben. Dagegen gewann er an den französischen Flüchtlingen,
welche die Aufhebung des Edikt von Nantes aus Frankreich trieb, 20,000
arbeitsame Unterthanen, welche Fabriken und Manufakturen anlegten und
wüste Stellen urbar machten.- Auch ist der Versuch Friedrich Wilhelm's,
eine Seemacht zu gründen, hervorzuheben. Spanien hatte ihm nämlich
bei Ludwigs XIV. erstem Einfall Hilfsgelder versprochen; er hatte gerüstet,
war aber nicht bezahlt worden. Nun machte er sich selbst bezahlt, indem
er durch eine kleine Flotte unter Kornelius von Bevern mehrere
reiche spanische Schisse wegnehmen ließ. Bald ging er noch weiter und
errichtete 1687 eine afrikanische Gesellschaft, die unter von der Groben
an der Küste von Guinea Groß-Friedrichsburg baute. Die Kolonie
konnte aber wegen der Eifersucht der Engländer und Holländer nicht auf¬
kommen und wurde den letzteren i. I. 1720 verkauft.
Friedrich Wilhelm, ein unverzagter, tapferer, gerechter und gottesfürch-
tiger*) Herr, starb im Jahre 1688. Er hinterließ ein bedeutend ver¬
größertes und gut angebautes Land, einen Schatz von 700,000 Thalern
und ein geübtes Heer von 28,000 Mann. Man betrachtet ihn als Den¬
jenigen, welcher zu Preußens Macht und Ansehen den Grund gelegt hat.
Friedrich der Große sagt von ihm mit Recht: „Er war Herrscher ohne
Land, Kurfürst ohne Macht, Erbe ohne Erbtheil."
2. Auf ihn folgte sein Sohn Friedrich III. (1688—1713). Die- Fried-
ser stand geistig und körperlich dem Vater nach, förderte aber dennoch rich III.
Preußens Geschick nicht wenig, da er die Königswürde annahm. Zu dieser 1638-1713.
Erhöhung wurde er durch sich selbst, aber auch durch das glückliche Empor«
streben anderer Fürsten veranlaßt. Wilhelm von Oranien hatte den eng¬
lischen Königsthron erlangt, der Kurfürst von Sachsen war König von
Polen geworden und das HauS Braunschweig-Lüneburg hatte die Kurwürde
erhalten. Dies Alles ließ in Friedrich den Entschluß, seinem Hause die
königliche Würde zu verschaffen, um so eher reifen, als Friedrich viel Eitel¬
keit und einen großen Hang zu äußerem Prunk besaß. Nur war der Ent¬
schluß leichter gefaßt, als ausgeführt. Den einzigen Anhalt bot das Her¬
zogthum Preußen, doch war zur Verwandlung desselben in ein Königreich
die Einwilligung des römisch-deutschen Kaisers nothwendig. Leopold I.
(1657—1705) war aber der Sache nicht geneigt, weil er meinte, „die
Könige von Preußen würden nicht so folgsam sein, als die Kurfürsten von
Brandenburg." Nichts desto weniger wußte Friedrich seinen Zweck zu er¬
reichen, indem er dem Kaiser Beistand in allen Kriegen 2) und dem öster¬
reichischen Hause für immer seine Stimme bei der Kaiserwahl versprach.
Nun erhielt er die kaiserliche Genehmigung und verschritt alsbald zum Werke.
Die Pracht des feierlichen Einzugs in Königsberg wird als übermäßig Preußen ein
beschrieben. Herolde, reich bekleidet und beritten, riefen in den Straßen Königreich
die Erhebung des Herzogthums zum Königreiche aus. Am Tage vor der
0 Seine erste Gemahlin Luise Henriette (si 1667) ist Verfasserin des schönen
Kirchenliedes: „Jesus meine Zuversicht", der Kurfürst selbst hatte zum Wahlspruch:
„Herr, thue mir kund den Weg, darauf ich gehen soll." (Psalm 143, 8).
0 In dem spanischen Erbsolgekriege (1701—1714) war Preußen dem österrei¬
chischen Hause ein treuer Bundesgenosse und in der Schlacht bei Höchstädt (1704)
und bei dem glücklichen Einsätze der Stadt Turin (1706) ernteten die Truppen des
neuen Königs großen Ruhm.
Spieb u. Bert et, Weltgeschichte III.
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