Speciclle Geschichte.
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letzlich und ihr Veto reichte hin, Senatsbeschlüsse ungültig zu machen.
Nach und nach gelangte die Würde der Tribunen zu solcher Bedeutung,
dass selbst Patrieier darnach strebten. — Ein anderer Zankapfel war die
Theilnahme der Plebejer an dem ager publicüs. Sp. Cassius, 486 zum
dritten Male Cónsul, schlug das erste Ackergesetz vor, zog sich dadurch den
Hass der Patrieier, seiner Standesgeitossen, zu, und wurde nach seiner
Amtsführung (wegen Strebens nach tyrannischer Gewalt) enthauptet.
Titus Genucius (476) und C. Genueius (473) Volksnibunen, büßten ihr
Streben, zu Gunsten des Volkes den Acker zu vertheilen, mit dem Leben.
— Im Jahre 481 setzten die Plebejer durch, dass ein Cónsul von den
Curien, der andere von den Centurien gewählt werden sollte. — Die
Patrieier, die sich nun von deit Plebejern angegriffen sahen, konnten es
nicht verschmerzen, dass ihnen schon ein Theil der unbeschränkten
Gewalt entwunden worden war, und suchten die Alleinherrschaft wieder
zu erringen. Hierzu schien ihnen der starre Coriolanus ein geeig¬
netes Werkzeug. Erschlug z. B. zur Zeit einer Theurung vor, den
Plebejern nur unter der Bedingung Getreide zu verabfolgen, dass sie
dem Tribunale entsagten. Von den Tribunen vor Gericht gefordert und
verurtheilt, floh er zu den Volskern. — Der Tribun Bolero setzte eS
durch, dass alle Volksangelegenheiten, besonders die Wahl der Tribu¬
nen, nur auf den Comitiis tri butis verhandelt werden sollten (473).
Nach heftigen Kämpfen setzte der Tribun Terentilius Arsa seinen
Vorschlag durch , dass g e sch r i e b e n e Gesetze als Richtschnur für die
Pflichten der Plebejer, für die Macht der Consttln und für die gericht¬
lichen Verhandlungen abgefasst werben sollteir. Neun Jahre lang wider¬
strebten die Patrieier, selbst offene Gewaltthätigkeiten verschmäheten sie
nicht,-endlich mussten sie nachgebeit (434). Man sandte darauf drei
Männer in das blühende Athen und nach deren Rückkehr musste das
Volk nachgeben, dass zehn Patrieier mit der höchsten Gewalt bekleidet
wurden, mit dem Aufträge, Gesetze abzufassen. DieS sind die
Decemvirn (431). Die von ihnen ausgeschriebenen Gesetze
wurden in zehir Abschnitten auf zehn eherne Tafeln eingegraben, öffent¬
lich ausgestellt und bildeten die Grundlage des römischen Rechts bis
zur Kaiserzeit. Die meisten Bestimmungen dieser Gesetztafeln basirten
auf altem Herkommen, nur die Aufnahme der patricischen Geschlechter
in die zwanzig örtlichen Tribus bewirkte, als eine ganz neue Anordnung,
eine durchgreifende Veränderung, indem dadurch die gesammte Bevöl¬
kerung zu einer Bürgerschaft vereinigt wurde und die Comitia tributa
Nationalversammlung wurden. Im folgenden Jahre wurde das Decem-
virat erneuert, nur zur Hälfte aus Patriciern und unter ihnen auch zum
zweiten Male A p p i u s Claudius, ein herrschsüchtiger, hartherziger
Patrieier. Allein die von ihnen Verfassten zwei weiteren Gesetztafeln
enthielten nicht nur sehr unbillige Bestimmungen (z. B. Beibehaltung
des alten Schuldrechts, Nichterbberechtigung von Kindern aus Ehen