Allgemeiner Ueberblick.
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Wahl herniederzucken, dessen Wolkcnbrüche und Orkane furchtbare Ver¬
heerungen anrichten, bei all seiner Furchtbarkeit doch nur dazu dient,
uin die Elemente zu befreien von den gefährlichen Giftstoffen, damit sie
dann nur um so wohlthätiger wirken können, — also die Revolution.
Auch sie ist ein furchtbarer Kampf furchtbarer Gewalten, auch sie zermalmt
ohne Wahl Schuldige und Unschuldige und bezeichnet ihren Weg mit
schauerlichen Blutspuren, aber wenn sie ausgetobt, geht aus den bluti¬
gen Furchen, die sie mit dem Schwerte gezogen, aus dem Unglück, das
Einzelne getroffen, aus den Trümmern verrotteter Zustände, die sie
hinterlassen, eine junge, hoffnungsreiche Saat der Freiheit, der Segen
für die überbleibende Menschheit, das neue, frische Leben der Völker
hervor. Also ist der Völkersturm zu betrachten, welchen die Geschichte
unter dem Namen der französischen Revolution in ihre ehernen Tafeln
gegraben hat. Von diesem Gesichtspunkte aus nennt der unbefangene
Geschichtsschreiber nicht mehr mit Abscheu die Namen eines Danton,
Robeöpierre, oder wie die blutigen Rächer der Jahrhunderte lang ge¬
tretenen und verhöhnten Völker heißen, verflucht er nicht mehr die zügel¬
losen Ausschweifungen fanatischer Mordgier unter dem Deckmantel der
Freiheit, sondern sucht mit philosophischem Geiste die Ursachen so schreck¬
licher Wirkungen auf, sondern spart seinen Fluch für diejenigen auf, welche
es durch Jahrhunderte lange Anarchie von oben, durch maaßlose Ver¬
höhnung alles Rechtösinnes, aller Sittlichkeit, fast aller menschlichen
Tugenden, durch ungerechte Kriegs- und schändende Maitressenwirth-
schaft, durch systematische Aussaugung und Beknechtung des Volkes
und unverantwortliche Verschwendung der Finanzen rc. dahin brachten,
dass die edle Menschennatur Hyäncncharakter annahm.
Die französische Revolution ist zweifelsohne eine der größten Be¬
gebenheiten in der Weltgeschichte, wo nicht die größte; denn ob auch
die Gründung und der Sturz der mittelasiatischen Reiche, der griechisch-
macedonischen und römischen Herrschaft, die damalige ganze bekannte
Welt erschütterte, deren Zustand bestimmte und für lange folgende
Zeiten bestimmend wirkte, ob ferner die Stiftung der muhamedanischen
und päpstlichen Weltherrschaft weithin von unermesslichen Folgen war,
ob endlich die Einführung des Christenthums und die Erfindungen der
Buchstabenschrift, der Buchdruckerkunst und anderer mehr in vielen Be¬
ziehungen gänzlich neugestaltend auftraten, so waren es bei jenen Welt¬
begebenheiten doch nur entweder rohe physische Kräfte, welche höchstens
durch eigennützige Interessen gemeiner Raub-, Ruhm- und Herrschsucht
in Bewegung gesetzt wurden, oder es bildeten wilder Fanatismus und
blinder Aberglaube die Triebfedern zum Umstürze alter und zum Aufbau
neuer Verhältnisse, oder endlich es traten die Veränderungen so allmäh¬
lich, so vielfach mit andern Begebenheiten verschlungen auf, dass sie
dem Auge der Mitwelt fast verborgen blieben und erst von der Nach¬
welt gehörig gewürdigt werden konnten. Anders die Revolution. Bei
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