Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte

Allgemeiner Ueberblick. 
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gungen zu sehr geschwächt war, thei'ls durch die Kirche selbst, theils 
durch sreigeisterische Schriftsteller. Die Reformation hatte sich bald bei 
ihrem Auftreten des Schutzes vieler weltlicher Fürsten zu erfreuen und 
war der Gefahr der Unterdrückung wegen Mangels an stehenden Heeren • 
von Soldaten und Schergen weniger ausgesetzt, dahingegen die Revo- ,. v 
lution sofort nicht nur alle Gewaltigen der Erde, sondern auch den 
Klerus und den privilegirten Adel gegen sich hatte. Solche Coalition 
des Thrones, des Altars und der Aristokratie war allerdings furchtbar 
genug, in Wirklichkeit standen auch der römische Papst ebenso gegen die 
junge Freiheit auf, wie der türkische Sultan oder der russische Czaar. 
Erst später, nachdem die neue Republik sich durch unaussprechliche An¬ 
strengungen den Sieg über alle Gegner errungen, näherte man sich ihr, 
und zwar meist aus schnöder Politik, froh, wenn nur wenigstens einige - 
Trümmer alter Herkömmlichkeiten gerettet wurden. 
Für Frankreich halte die Revolution zunächst die Folge, dass alle 
gesellschaftlichen Verhältnisse gestürzt wurden, indem namentlich an die 
Stelle der Willkür das Gesetz, an die der Privilegien die Gleichheit trat 
und die Menschen von dem Unterschiede der Klassen, der Boden von der 
Sperre der Provinzen, der Gewerbfleiß von den Fesseln der Corpora- 
tionen und Zünfte, der Ackerbau von den Feudallasten und dem Drucke 
des Zehnten, das Eigenthum von dem Zwange der nachgesetztcn Erb¬ 
folge befreit, und Alles auf einen Staat, ein Recht und ein Volk 
zurückgeführt wurde. Aber wahrhaft unermesslich sind ihre Folgen für 
die übrige bewohnte Welt. „Sie gab den Völkern das Bewusstsein 
ihrer angebornen Freiheit wieder, lehrte die Fürsten das Volksbewusst- 
scin ehren und gab uns den Boden, auf dem wir selbst für das Morgen- 
roth einer freien und glücklichen Zukunft kämpfen und ringen." 
Deutschland seufzte schwer unter dem feudalen Drucke, aber im 
Vergleiche zu Frankreich genoss es noch ein wahrhaft goldenes Zeitalter, 
denn die Rivalität der vielen Staaten, die Kaisergewalt, einzelne wohl¬ 
meinende Fürsten und andere günstige Umstände ließen es nicht zu der 
bodenlosen Tiefe der Verderbniss des bürgerlichen Zustandes kommen, 
welche in Frankreich eingerissen war. Hier war das Volk allen Strei¬ 
chen des Despotismus schutzlos preisgegeben. Auf das arme rechtlose 
Volk hauste sich aller Fluch verkehrter und mangelhafter Staatseinrich¬ 
tungen. Einige Beispiele mögen hinreichen, um eine Ahltung von dem 
Zustande der unteren Volksklassen zu geben. Ein Fabrikat konnte von 
Valenciennes nicht nach Bayonne geschafft werden, ohne in der Picardie 
Eingangszoll, in Poitou Ausgangszoll, in Bordeaux die sog. Com- 
tablie, in den Landes den Zoll von Arras und in Bayonne die sog. 
Coutüme zu entrichten. Zu diesen hindernden Zollschranken zwischen 
den Provinzen kam noch ein maaßloser Zunftzwang, der hohe Preis 
der Meisterpatente und die sinnloseste Einmischung der Behörden in die 
Fabrikation selbst, indem Alles vernichtet wurde, was nicht nach Polizei-
	        
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