Allgemeiner Ueberblick.
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ihm bereits entrissene Rechte, sich als „Bürgerkönig" geliebt und geachtet
aus dem Throne erhalten können, allein davon wollte der Hof nichts
wissen und umstrickte desshalb dm König mit einem Netze von Jntriguen
und Gewaltthaten zur Wiedererlangung verloren gegangener Herrlich¬
keit, dass die Feindseligkeit und Erbitterung gegen den Hof immer hefti¬
ger wurde. Der vierte Stand, veranlasst durch das Gastmahl der
Leibgarden, die Gerüchte von der Flucht des Königs, die Furcht vor
dem Bürgerkriege und durch Hunqcrsnoth, wird auf den Schauplatz
gedrängt, die Revolution verliert ihre würdige Haltung, die Anarchie
greift Platz und der offenbare Bürgerkrieg bricht aus, als die auswärti¬
gen Mächte sich einmischten. Nun macht das Volk seine Revolution,
wie der Mittelstand die seinige gemacht hatte. Nichts mehr von kon¬
stitutionellem Königthume — Republik, Republik! erscholl es, nachdem
sich die Revolution durch die Hinrichtung des Königs jeden Weg zur
Rückkehr abgeschnitten. Unaufhaltsam vorwärts geht es auf der cin-
geschlagenen Schreckensbahn; die Constitutionellen fallen, die Republi¬
kaner fallen, über Hekatomben von Hingerichteten feiert der vierte Stand
den schauerlichblutigen Sieg über den Adel, die Geistlichkeit und den
Mittelstand. „Die Gironde fällt, Danton fällt, Desmoulins, der
Apostel der Freiheit, fällt; Blatt um Blatt sinkt vom Baume der Re¬
publik, der Schrecken kommt an die Tagesordnung, der Schrecken, der
unter der Maske der Gerechtigkeit desto mehr Opfer schlachtet, je mehr
er Feinde zählt."
Aber das Maaß der Greuel war voll und es verfallen die Schre¬
ckensmänner demselben Schicksale, dem jede Partei nach ihrem Siege
erlegen war. Robespierre, ahnend, dass die Blutherrschaft an ihrer
äußersten Grenze angelangt sein müsse, versucht einzulenken, will aber
erst noch die letzten Häupter sinken sehen, die er fürchtet. Vergebens!
Er selbst fällt und mit seinem Tode nimmt das furchtbare Drama uner¬
wartet einen anderen Gang. Die Revolution geht rückwärts, „nachdem
sie fast alle ihre Kinder verschlungen". Auf's Neue ergreift der Mittel¬
stand das Heft und so geht es fort und fort durch die Phasen des
Directoriums und des Consulats, bis Napoleon, gerufen, die Revolu¬
tion zu schützen, dieselbe tobtet. Willig beugt sich das Volk vor dem
Gewaltigen, widerstandslos lässt es sich eine Errungenschaft nach der
andern entreißen, ermattet vom blutigen Kampfe sieht es seine Freiheit
durchbohren von den Bajonetten einer rohen Soldatendespotie, die Gleich¬
heit vernichten, lässt sich durch eitlen Waffenruhm blenden und hilft den
Kasterthron aufrichten. Während Napoleon in seiner Herrschsucht keine
Grenzen mehr kennt und das Volk an zahme Unterwürfigkeit und an
den Anblick eines Thrones gewöhnt, da erreicht auch ihn, den Freiheits¬
mörder, die Nemefis. „So sind alle Parteien, eine durch die andere,
untergegangen, und die unter allen verfolgte, aber auch in der Unter¬
drückung nie rastende, die königliche, hat den Sieg behalten. Den Sieg?