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patriotische Opfer bansen, und fühlte sich schwer enttäuscht, als
Metternich dem preußischen Gesandten mit freundschaftlichem Be¬
dauern antwortete: die Annahme „dieses großmütigen Anerbietens"
sei am Bundestage leider wenig wahrscheinlich, am wenigsten, wenn
das gefürchtete Österreich sich dafür ausspräche. In der Tat er¬
klärten die Bundesgesandten, der Hannoveraner Martens voran, ihr
gerechtes Befremden über die unerhörte Zumutung, sobald Goltz sich
im Sommer mit dem Antrage hervorwagte.
Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert.
S. 135 —164 mit Auslassungen.
II. Die Hnfänge der preußischen Verfaslungsfrage.
k.Der dreifache Primat der Waffen, der Konstitution, der
Wissenschaft ist es allein, der uns aufrecht zwischen den mächtigen
'Nachbarn erhalten kann", hatte Gneisenau einst erklärt. Der Primat
V der Waffen war durch die allgemeine Wehrpflicht begründet, aber
bereits wieder bedroht durch die namentlich von Karl von Mecklen¬
burg vertretene reaktionäre Strömung auch im Gebiete des Heer¬
wesens, welche den Bestand der Landwehr in Frage stellte. War
l ein Primat der Wissenschaft für Preußen noch möglich, wenn es,
' bte Karlsbader Beschlüsse noch übertrumpfend, seinen Universitäten
die elementarsten Bedingungen des Gedeihens entzog und Lehrer
und Jünger der Wissenschaft auf die nichtigsten Vorwände hin
nahezu für vogelfrei erklärte? Die politische Richtung, die damit
in Preußen zur Herrschaft kam, wollte von einem Primat der
Konstitution nichts wissen, setzte vielmehr alles daran, seine Ge¬
winnung zu hintertreiben. Planmäßig und mit wachsender Er¬
bitterung stemmte sie sich dazu der Richtung entgegen, in welche
die Entwickelung Preußens naturgemäß einzulenken im Begriff stand,
wenn man sie dem Walten der seit Jahren in ihr herrschenden
Logik der Tatsachen überließ.
Bereits in der Denkschrift, die er im Mai 1806, beim Nahen
der großen Krisis, aufgesetzt hatte, um dem König freimütig die im
Staate herrschenden gefährlichen Übelstände darzutun und in der
Kabinettsregierung deren vornehmste Quelle zu beseitigen, hatte
(Stein den Satz aufgestellt, Preußen habe überhaupt keine Staats-
verfaffung, weil die oberste Gewalt nicht zwischen dem Oberhaupt
und den Stellvertretern der Nation geteilt sei. Er sah in ihm nur
ein verhältnismäßig junges Aggregat von vielen einzelnen, durch
Erbschaft, Kauf und Eroberung zusammengebrachten Provinzen.
Die in einigen von diesen vorhandenen Stänbe kamen nur als ört¬
liche Korporationen in Betracht. Sie waren wohl geeignet, an ber
Provinzialverwaltung teilzunehmen, konnten dagegen auf die all¬
gemeinen Angelegenheiten nur lähmend und störenb einwirken. Für
Stein war also das Ziel, auf das die politische Entwickelung