Die Kreuzzüge.
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andern Welttheil Freiheit und Eigenthum zu erkämpfen; der
Schuldner zahlte keinen Zins, so lange er im heil. Lande war,
und für die Zurückbleibenden wurde- väterlich gesorgt. Aber
wenn auch vielerlei äußere und selbst mitunter die unedelsten
Motive zu der kriegerischen Unternehmung hindrängten, so konnte
doch die so allgemeine Begeisterung nur aus tiefem religiösem
Gefühle hervorgehen, und gerade dieses innere Motiv war es,
welches ganze Völker zum heil. Kampfe vereinigte'. In demsel-
ben maß sich der religiöse Enthusiasmus der Christen mit dem
religiösen Fanatismus der Sarazenen; und eben, weil beide
Parteien ihr Blut für die Religion und zur Ehre Gottes vergos¬
sen, wurden die Kämpfe ebenso blutig, als sie hochherzig waren.
Der erste Kreuzzug. 1096 — 1099.
8 68. Obwohl zu Clermont der Io. Aug. 1096 als Tag des
Aufbruchs für die Kreuzfahrer bestimmt war, so zogen doch
schon im Frühling große Schaaren aus Frankreich und Ita¬
lien unter Peter von Amiens, Walter von Pexejo (Habenichts)
u. a. Führern voran; doch war in diesen vorläufigen Unter¬
nehmungen kein rechter Plan und keine Ordnung. Ohne die
nöthige Kleidung und ohne Lebensmittel ausgezogen kamen sie
unter Plünderung, Verheerung und argem Frevel (gegen die
Juden am Rhein) nach Ungarn und den Süddonauländern,
wo der größte Theil derselben von den erbitterten Einwohnern
erschlagen wurde. Nur wenige kamen bis nach Kleinasien und
wurden hier theils von den Türken theils durch innere Zwistig¬
keiten fast gänzlich aufgerieben. Da endlich folgte im Herbste
1096 die Blüthe der französischen, lotharingischen und norman¬
nischen Ritterschaft begleitet von zahllosen Schaaren von bewaff¬
netem und unbewaffnetem Fußvolk. Die einzelnen Abtheilun-
gcn aus verschiedenen Gegenden zogen ans verschiedenen We¬
gen dem allgemeinen Sammelplätze Constantinopel zu, rvo eine
Musterung gegen hundert tausend wohlgerüstete Reiter und eine
doppelt so große Anzahl von auserlesenen Fußtruppen ergab.
Führer waren der Herzog von Nieder-Lothringen Gottfried von
Bouillon und seine Brüder Eustachius und Balduin von Flan¬
dern; ferner Graf Robert von Flandern, Herzog Robert von
der Normandie, Graf Raimund von Toulouse und der mäch¬
tige Fürst Bohemund zu Tarent sowie dessen berühmter Neffe
Tancred; die geistliche Leitung hatte als päbstlicher Legat der
Bischof Ademar von Puys. Der griechische Kaiser Alexius,
dem die Kreuzzüge als eine seinem Reiche in ihren Folgen viel¬
leicht höchst gefährliche Völkerwanderung erschienen, verlangte
zu seiner Sicherstellung von den Fürsten den Lehnseid und
wollte alle Eroberungen gegen die Türken betrachtet wissen, als
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