I. Die Vorboten der neuen Zeit.
1. Der Seeweg nach Ostindien und die Entdeckung von Amerika.
§. 308. Im 14. und 15.Jahrhundert kamen mehrere große Erfindun¬
gen in Anwendung, durch welche die Zustände des Mittelalters eine gänzliche
Umwandlung erfuhren. Ein Italiener (Flavio Gioja) erfand den Com-
paß oder Boussole, indem er die Magnetnadel mit ihrer wunderbaren
Eigenschaft nach Norden zu weisen als Mittel gebrauchen lehrte, überall die
Himmelsgegend zu erkennen und sich auf dem Weltmeer zu orientiren, und da¬
durch in die Schifffahrt einen mächtigen Aufschwung brachte; das Schie߬
pulver (das nach einigen Angaben von einem deutschen Mönch Bertho ld
Schwarz erfunden ward, nach andern schon im Alterthum den Chinesen und
Arabern bekannt war) kam in der Mitte des 14. Jahrhunderts im Kriegswesen
zur Anwendung und führte das Ritterthum seinem Untergang entgegen. Die
folgenreichste Erfindung aber war die Buchdruckerkunst, die Johann GuL-
tenberg von Mainz ins Leben rief. Seine Gehülfen bei dem Werk waren der
Mainzer Goldschmied Fust oder Faust und der Bücherschreiber Peter Schös¬
ser, die allein Vortheil aus der Erfindung schöpften. Der letztere führte ge¬
gossene metallene Lettern ein anstatt der geschnittenen hölzernen, deren sich Gut-
tenberg bedient hatte. Anfangs wurde die Kunst geheim gehalten, aber bald
trugen deutsche Gesellen sie in alle Länder des gebildeten Europa. Dadurch
gelangten die Bücher, die bisher nur den Reichen zugänglich waren, in die
Hände des Volks, da die Leichtigkeit der Vervielfältigung den Preis der Bücher
sehr verminderte.
§. 309. Durch die Anwendung des Compasses wurde es möglich, die
Schifffahrt, die bisher nur Küstenfahrt gewesen und aufs Mittelmeer beschränkt
war, über den Oeean auszudehnen. Dies geschah zuerst durch die Portu¬
giesen. Der Auffindung der Inseln Porto Santo und Madera, wo die
Anpflanzung des W eins und des Zuckerrohrs vortrefflich gedieh, folgte
bald die Erwerbung der Azoren und die Entdeckung des grünen Vorge-
birgs und der an Goldstaub, Elfenbein, Gummi und Negersclaven rei¬
chen Küste von Oberguinea. Unter König Johann II. wurde auch Un¬
terguinea (Congo) entdeckt. Von hier aus gelangte der kühne Bartholo¬
mäus Dia; nach Afrika's Südspitze, dessen anfängliche Benennung „stür¬
misches Vor ge birg" der vertrauensvolle König bald in die der „guten
Hoffnung" umwandelte. Denn schon zwei Jahrzehnte nachher entdeckte von
dort aus unter König Emanuel dem Großen der unternehmende Vasco
de Gama den Seeweg nach Ostindien, indem er von Afrika's Ostküste über
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