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Geschichte der alten Welt.
burt verlieh, auch durch körperliche und geistige Vorzüge zu behaupten vermöge,
nahm der Staat die Erziehung der Jugend ganz in die Hand. Schwäch¬
liche oder verkrüppelte Kinder wurden nach ihrer Geburt ausgesetzt, gesunde
nach zurückgelegtem sechsten Jahre aus dem elterlichen Hause entfernt und öf-
sentlich erzogen. Diese Erziehung war besonders auf körperliche Abhärtung ge¬
richtet, daher die gymnastischen Uebnngen in den Turnanstalten
(Palastren) den wichtigsten Zweig derselben ausmachten. Doch wurde auch
der Verstand gebildet, wie denn die List und Verschlagenheit der Spartaner
nicht minder berühmt war als die kernhafte Kürze ihrer Rede , die man daher
mit dem Worte lakonisch bezeichnete. Nur Gemüth und Phantasie fanden
keine Anregung, Wissenschaft und Redekunst wurden in Sparta weder geschätzt
noch gepflegt, und die ernste dorische Dichtung, verbunden mit Reigen
und Tonkunst, diente nur als Mittel zur Erweckung und Belebung der Vater¬
landsliebe, der Kampflust und des Nationalgefühls. Selbst die dorische
Kunst zeichnete sich nur durch gewaltige Kraft, nicht, wie die ionische,
durch Schönheit und Anmuth aus. Der männliche Theil des Volks sonderte
sich nach dem Alter in Tischgesellschaften ab behufs der gemeinschaft¬
lichen Mahlzeiten (Syssitien), so daß gewöhnlich 15 an einer Tafel
saßen. Diese Mahlzeiten waren höchst einfach und mäßig und wurden von den
Lieferungen der Heloten bestritten. Die sogenannte schwarze Blutsuppe und
ein Becher mit Wein machten den Hauptbestandtheil aus. Die Könige saßew
bei ihren Tischen oben an und erhielten doppelte Portionen. Lurus und Ver¬
weichlichung sollten auf alle Weise vermieden werden, weshalb auch die Häu¬
ser ganz roh und ohne alle Bequemlichkeit waren, indem nur die Art und Säge
bei deren Bau angewendet werden durften. Darum war auch alles aus edlen
Metallen geprägte Geld aus dem gewöhnlichen Verkehr verbannt, damit Nie¬
mand die Mittel hätte, sich unnöthige Genüsse zu verschaffen; rohgeprägte
eiserne Münzen vertraten im täglichen Leben die Stelle des Geldes; und da¬
mit auch Niemand diese Genüsse kennen lerne und sich daran gewöhne, war
den Spartanern alles Reisen in andere Staaten, und Fremden ein längerer
Aufenthalt in Sparta untersagt. Jagd und Waffenübungen waren die Haupt¬
beschäftigungen des erwachsenen Spartaners, die Bebauung des Bodens blieb
den Heloten überlassen, Handel und Gewerbe sielen den Periöken anheim.
Das ganze Leben des Spartaners war auf den Krieg bezogen. In der Stadt
lebte er wie im Lager und die Kriegszeit war seine Fest- und Freudenzeit. In
Purpurmäntel gekleidet und mit langen Haaren zogen die Spartaner unter
Flötenton ins Feld und vor der Schlacht schmückten sie sich wie zu einem Freu¬
denfeste. Die Stärke des Heeres beruhte auf dem schwerbewaffneten Fußvolke
(Hopliten), das aus vielen Unterabtheilungen bestand und daher ohne Ver¬
wirrung mannichfache Schwenkungen und Bewegungen vornehmen konnte.
In Reih und Glied wich und wankte der Spartaner nicht; er siegte oder fiel
an seinem Platze. Strenger Gehorsam und Unterordnnng des Jüngern unter
den Aeltern war die Seele der kriegerischen Erziehung und Einrichtung in
Sparta, das ein wahrer Ehrentempel des Alters war.
§. 44. Nachdem diese Gesetze von dem delphischen Orakel bestätigt wor¬
den, ließ Lykurgus die Spartaner schwören, nichts daran zu ändern, bis er
wieder von der Reise, die er vorhabe, zurückkäme. Darauf soll er nach Kreta
gegangen unv dort gestorben sein. — Bald zeigten sich die Folgen der lykurgi-
schen Gesetze. Die abgehärteten Spartaner unterwarfen nicht nur ihre Nach¬
barn, die stammverwandten Messenier, in zwei langen Kriegen, sondern sie
gewannen auch in Kurzem die Vorherrschaft (Hegemonie) über den