Konrad II. 1024—1039. § 124—125.
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Kamba am Mittelrhein, von wo man aus die gesegnete Ebne zwischen Oden¬
wald und Donnersberg blickt, versammelte, das waren zunächst der Clerus:
Erzbischöfe, Bischöfe und Aebte; ferner Herzöge, Grafen, Herren und freie
Männer, die nach ihren Stämmen, da weder Haus noch Stadt sie fassen
konnte, hier unter freiem Himmel lagerten: Am linken Rheinufer Ober- und
Niederlotharinger, am rechten die Sachsen, Franken, Schwaben und Baiern, fünf
Stämme, jeder mit seiner eigenen Art, aber im Bewußtsein bereits ein großes
Volk, das des gemeinsamen Herrschers nicht mehr entbehren wollte: soviel war
seit einem Jahrhundert durch das sächsische Kaiserhaus vollbracht. — Die Wahl,
von den Großen des Reichs geleitet, schwankte lange: man war zuletzt für zwei
Männer, aus dem fränkischen Herzogshause der Konradiner entschieden: beide
hießen Konrad, der ältere war seit seiner Vermählung mit der Gisela,'der
Witwe des Schwabenherzogs Ernst I., unter den Fürsten besonders hervorragend.
Dieser nun nahm seinen Vetter zur Seite, und vereinte sich mit ihm, daß jeder
ohne Groll zustimmen solle, wenn auch die Wahl den Andern träfe. Dann
entschied der Erzbischof von Mainz zuerst für ihn, als den Aelteren; die Fürsten
stimmten zu, und jauchzend alles Volk dem er sich zeigte: dann wallte die fest¬
liche Menge doch an demselben Tage nach Mainz, und im Dom empfing Konrad
die Salbung und die Königskrone.
Ein andrer Stamm war somit an die Spitze Deutschlands getreten: es
waren Franken von den schönen Rebenufern des Rheins und den fruchtbaren
Gefilden am Main; eine raschentschlossene, feurige und heißblütige Art, sehr
verschieden von den kälteren Sachsen in Norddeutschland: aber begabt und ge¬
waltig nicht minder wie jene. Das echte Abbild dieses Sinnes war der neu¬
gewählte König: stattlich und herrlich trat er auf: man sah, daß die Wahl
keinen Würdigern'hätte treffen können.
§ 125. Und das Glück begünstigte wie einst die ersten Sachsen, so auch
hier das neue Herrschergeschlecht. Im ersten Jahre schon seiner Regierung starb
der Polenkönig Boleslav Chrabrh, und sein großes Reich verfiel durch die
Zwietracht seiner Söhne, die die Deutschen selbst ins Land riefen, ebenso schnell,
wie es aufgebaut war: damit aber kehrte allmählig die Abhängigkeit Polens
vom Reiche wieder. Mit Dänemark, das damals unter dem mächtigen Knud
dem Großen das Christenthum völlig angenommen hatte, und Norwegen und
England mitbeherrschte, hielt Konrad II. Friede und Freundschaft, ja er räumte
ihm die Schleswigsche Mark, die von Heinrich I. als nördlichste Schutzwehr des
Reiches begründet war, freiwillig ein, und machte wieder, wie Karl der Große,
die Eider zur Nordgrenze. .— Was er hier dem Reiche vergab, glaubte er an
anderer Stelle glänzend wiedergewinnen zu können. Rudolf III. von Burgund
ging kinderlos seinem Ende entgegen und damit sollte, wie schon Heinrich II.
ausgemachl, sein Land an das Reich fallen. Freilich kam Konrad dadurch mit
seinem eigenen Stiefsohn, Ernst von Schwaben, in ein mißliches Verhältnis
der wegen naher Verwandtschaft Burgund für sich begehrte, und heimlich sich
mit den andern Bewerbern um die Erbschaft, mit dem französischen Grafen
Odo von Champagne, ja mit König Robert von Frankreich selbst verständigte.
Auch der jüngere Konrad, der doch mit der Wahl seines Vetters nicht ganz
zufrieden war, schlug sich zu ihm, so wie die Herzöge von Ober- und Nieder¬
lotharingen. Die Gefahr schien groß. Gegen das drohende Bündniß wandte
sich König Konrad auf das linke Rheinufer: hier aber siel ihm das Glück zu,
sobald sein bisheriger Gegner, der kühne und unternehmende Herzog Gozelo
von Niederlotharingen, auf seine Seite trat, und durch diesen mächtigen Ge¬
nossen allein schreckte der König die Verbundenen so, daß es eigentlich ohne
David Müller, Geschichte des deutschen Volkes. 6