58 §. 62, Kampf der Plebejer mit den Patriziern um Rechtsgleichheit.
der innere Kampf der Plebejer mit den Patriziern noch ein Jahrhun¬
dert lang fort, bis sie sich völlige Rechtsgleichheit errungen hatten.
Zuerst setzten sie es durch, daß der Staat feste, geschriebene Gesetze
bekam, um die Willkühr bei dem Richten nach dem bloßen Herkommen
zu verhindern. Die Decemvirn, zehn mit diktatorischer Gewalt be¬
kleidete Patrizier, fertigten meistens nach griechischen Rechtsgebräuchen i.J.
451 bte ersten geschriebenen Gesetze auf zehn ehernen Tafeln, welchen die nach-
^ folgenden Decemvirn noch zwei Tafeln beifügten, so daß die ganze
Sammlung den Namen der Zwölftafelgesetze bekam.
Diese letztern Decemvirn aber verlängerten und mißbrauchten ihre
Gewalt, und bedrückten und mißhandelten die Plebejer auf unverant-
liche Weise. Endlich bereiteten sie sich selbst den Sturz. Der hochmü-
thige Decemvir App ins Claudius wollte sich der tugendhaften Vir¬
ginia, der Tochter eines plebejischen Hauptmanns, bemächtigen. Zu diesem
Zweck mußte ein Client des App ins behaupten, sie sei die Tochter seiner
Sklavin. Als das Gericht dieselbe dem Clienten gegen alles Recht zu-
sprach, wußte der Vater die Tugend seiner Tochter nicht mehr anders
zu retten, als daß er ihr ein Messer ins Herz stieß.
Dies brachte die Wnth der Plebejer zum Ausbruch. Sie forderten
die Absetzung der Decemvirn, und als sie verweigert wurde, zogen sie zum
zweitenmal auf den heiligen Berg. Nun gab der Senat nach: die Decem¬
virn inußten ihr Amt niederlegen, und es wurden wieder Consuln und
Tribunen gewählt. Von dieser Zeit an kamen auch die den Plebejern
günstigen Zwölftafelgesetze zur Anwendung.
Wie eifersüchtig indessen die Patrizier auf jeden waren, der ihren Einfluß
schmälern zu wollen schien, zeigte das Verfahren gegen den plebejischen Ritter
Spur ins Mälius, der in einer Hungersnoth Getreide unter das Volk ver¬
theilte, und nun angeklagt wurde, er strebe nach Alleinherrschaft. Er
wurde von dem Reiterobersten Ahüla auf dem Foruni erschlagen.
Die Kriege mit den umliegenden Völkern, an welchen die gedrückten
Plebejer zuvor nur lauen Antheil genommen hatten, wurden von da
an mit günstigerem Erfolg geführt. Camillus eroberte Veji, die
alte Nebenbuhlerin Roms, wurde dann aber, als er den Beutezehnten,
den er den Göttern gelobt hatte, einforderte, vom Volke fälschlich der Vew
nntreunng angeklagt und gieng in freiwillige Verbannung.
Bald darauf machten die Gallier unter B r e n n u s von Oberitalien aus
ZZ9 einen Einfall in das römische Gebiet, brachten den Römern an der Al lia
eine schwere Niederlage bei und zogen in das verlassene Rom ein. Sie
erschlugen achtzig zurückgebliebene Senatoren, verbrannten die Stadt und
belagerten das Kapitol. Dieses wurde zwar durch die Tapferkeit des