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Hieraus erhellt, daß die Vaterlandsliebe eben so, wie
jede andere menschliche Tugend, der Pflege und Ermunter¬
ung bedarf, wenn sie gedeihen und ihrer Bestimmung ge¬
mäß zur Veredlung des Menschen beitragen soll, und dar¬
aus ergiebt sich denn wiederum für jeden Menschen die
Pflicht, die erforderlichen Mittel anzuwenden, um seine Va¬
terlandsliebe auszubilden, und aus einem unwillkührlichen
Triebe zu einer, sich ihres Grundes und ihres Zweckes be¬
wußten Neigung zu erheben. Das sicherste, wo nicht das
einzige Mittel dazu ist die Kenntniß von dem Ursprünge,
den Schicksalen, den früheren und gegenwärtigen Verhält¬
nissen des Vaterlandes; diese erlangen wir nur durch die
Geschichte.
Die Geschichte ist überhaupt die große und allgemeine
Lehrerin der Weisheit, sowohl den Völkern, als den Ein¬
zelnen; sie ist ein Spiegel der Wahrheit, in welchen sie
schauen sollen, um durch Vergleichung der Vergangenheit
mit der Gegenwart zu erkennen, was ihnen heilsam und
was verderblich sei. Die Tugenden und Laster nebst ihren
Folgen, jene zur Nacheiferung, diese zur Warnung, wer¬
den darin dargestellt, die leitende Hand einer allwalten¬
den Vorsehung, die die Schwachen erhebt und die Gewal¬
tigen zermalmt, wird darin sichtbar. Der Bedrängte und
Muthlose schöpft Trost und Mull), der Glückliche und
Kühne lernt Bescheidenheit und Mäßigung daraus. Gilt
dieses von der Geschichte im Allgemeinen schon, so ist
solches für jeden Menschen in Hinsicht der Geschichte seines
Vaterlandes noch ganz besonders und in einem weit
höheren Grade der Fall. Bei letzterer ist uns der Schau¬
platz der Begebenheiten bekannt, die darauf Handelnden
waren unsere Vorfahren, und ihre Wirksamkeit hat unsere
staatsbürgerlichen Verhältnisse gestaltet. Vieles Tüchtige,
Würdige, was sie erstrebt, kommt uns zu gut: aber auch